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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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mussten immer betonen, wie bedeutend sie waren.
    Aber Giuseppe würde da sein.
    Ein gebildeter, charmanter Italiener, der sie zu Kolloquien in Turin, Florenz, Mailand und Padua einlud. Er würde sie aufmunternd anschauen und die Atmosphäre auflockern. Josefina, bellissima ! Du aste Angst, ma … perché , isch bin da, Josefina …
    Nur Mut, mein Mädchen, Mut, dachte Joséphine, heute Abend ist alles vorbei. Heute Abend wirst du es wissen … Das war schon immer dein Leben, lernen, arbeiten, Prüfungen ablegen. Also mach nicht solch ein Aufhebens darum. Zieh die Schultern hoch und stell dich dieser Kommission mit einem Lächeln.
    An den Wänden der Métro-Station warben Plakate für Weihnachtsgeschenke.
    Goldene Sterne, Zauberstäbe, der Weihnachtsmann, ein weißer Bart, eine rote Mütze, Schnee, Spielzeug, Videokonsolen, CD s, DVD s, Feuerwerke, Weihnachtsbäume, Puppen mit großen blauen Augen …
    Henriette hatte Iris in eine Puppe verwandelt. Verhätschelt, verherrlicht, frisiert, angezogen wie eine Puppe. Haben Sie meine Tochter gesehen? Ist sie nicht schön? So wunderschön! Und ihre Augen! Haben Sie ihre langen Wimpern gesehen? Haben Sie gesehen, wie herrlich sie geschwungen sind?
    Sie stellte sie zur Schau, ließ sie sich im Kreis drehen, korrigierte eine Falte ihres Kleids, den Sitz einer Haarsträhne. Sie hatte sie wie eine Puppe behandelt, aber sie hatte sie nicht geliebt.
    Schon, aber … Iris ist diejenige, die Henriette aus dem Atlantik gerettet hat. Nicht ich! Sie hatte sie gerettet, wie man bei Feueralarm nach seiner Handtasche greift. Wie eine Schmuckkassette, eine Trophäe. Der kleine Satz aus dem Radio schwoll an, verzweigte sich, und Joséphine hörte zu …
    Sie hörte zu, während sie in der Métro saß.
    Sie hörte zu, als sie das Universitätsgebäude betrat und den Raum suchte, wo ihre Prüfung stattfinden sollte.
    Es war wie zwei verschiedene Melodien in ihrem Kopf: der unscheinbare Satz, der seine Argumentation fortsetzte, und das zwölfte Jahrhundert, das sich zu entfalten versuchte und dagegenhielt, damit sie fest auf beiden Füßen stünde, wenn die Zeit der Prüfung und der Fragen käme.
    Mit ihrer »Biobibliografie« beginnen, ihre Anfänge schildern, ihre Arbeitsweise. Dann die Fragen der einzelnen Kollegen beantworten.
    Nicht an das Publikum denken, das hinter ihr sitzt.
    Nicht auf das Geräusch der Stühle achten, die über den Boden scharren, die Geräusche der Zuhörer, die auf ihren Plätzen herumrutschen, flüstern, seufzen, aufstehen und hinausgehen … Sich auf die Antworten konzentrieren, die sie den Kommissionsmitgliedern geben muss, die dreißig Minuten Zeit haben, um zu sagen, was sie von ihrer Arbeit halten, was sie daran interessant oder uninteressant fanden, einen Dialog beginnen, zuhören, antworten, sich notfalls verteidigen, ohne sich aufzuregen oder aus dem Konzept zu geraten …
    Sie rief sich die einzelnen Etappen dieser vierstündigen Prüfung in Erinnerung, die sie zu einer Universitätsprofessorin machen würde.
    Ihr Gehalt würde von dreitausend auf fünftausend Euro steigen.
    Oder auch nicht.
    Denn es bestand immer die Gefahr, dass sie durchfiel. Oh! Sie war winzig, beinahe inexistent, aber …
    Wenn alles vorbei war, würde sich die Kommission zur Beratung zurückziehen. Nach anderthalb Stunden würde sie zurückkommen und ihr Urteil verkünden: »Die Kandidatin hat mit Auszeichnung bestanden …«
    Und Beifall würde losbrechen.
    Oder: »Die Kandidatin hat mit Sehr gut bestanden.«
    Man würde vereinzeltes Klatschen hören, die Kandidatin würde das Gesicht verziehen.
    Oder: »Die Kandidatin hat mit Gut bestanden.«
    Und im Saal würde ein betretenes Schweigen herrschen.
    Die Kandidatin würde den Kopf hängen lassen und schamvoll auf ihrem Stuhl nach hinten rutschen.
    In vier Stunden würde sie es wissen.
    In vier Stunden würde ein neues Leben beginnen, von dem sie noch nicht wusste, wie es aussehen würde.
    Joséphine atmete tief ein und öffnete die Tür, hinter der die Kommission sie bereits erwartete.
    Jeden Morgen, wenn das erste Tageslicht hinter den Vorhängen aufschien, richtete sich Henriette Grobz in ihrem Bett auf, schaltete ihr kleines Radio ein, hörte die Schlusskurse der asiatischen Börsen und jammerte. Was für ein Unglück! Was für ein Unglück!, wiederholte sie immer wieder, während sie sich in ihrem langen Nachthemd krümmte. Ihre Ersparnisse schmolzen dahin wie Schnee in der Sonne, und sie sah sich wieder als Kind in der Küche des

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