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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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alten Bauernhofs im Département Jura, wie sie ihre groben Schuhe aneinanderrieb, um die vor Kälte tauben Füße aufzuwecken, während ihre Mutter sich die schrundigen Hände an einer grauen Schürze abtrocknete. Armut ist nur in verlogenen Büchern schön. Armut bedeutet armselige Kleider und verkrümmte Gelenke. Beim Anblick der verformten Hände ihrer Mutter hatte sie sich geschworen, niemals arm zu sein. Sie hatte Lucien Plissonnier geheiratet und danach Marcel Grobz. Der Erste hatte ihr einen ehrbaren Wohlstand beschert, der Zweite Reichtum. Sie hatte sich endgültig in Sicherheit gewähnt, doch dann hatte Josiane Lambert ihr den Mann gestohlen. Und selbst wenn Marcel Grobz sich bei der Scheidung als durchaus großzügig erwiesen hatte, änderte dies nichts an der Tatsache, dass man ihr alles genommen hatte. Der reinste Striptease.
    Und jetzt brachen auch noch die Börsenkurse ein!
    Sie würde barfuß und im Nachthemd auf der Straße enden. Ohne Geldbeutel, aus dem sie schöpfen könnte. Iris lebte nicht mehr – sie bekreuzigte sich hastig –, und Joséphine …
    Joséphine … die vergaß sie besser.
    Sie würde mittellos altern. Womit habe ich diese Strafe bloß verdient?, fragte sie sich, während sie die Hände faltete und zu dem Kruzifix über ihrem Bett aufblickte. Ich war eine vorbildliche Ehefrau, eine gute Mutter. Und trotzdem werde ich bestraft. Der Buchsbaumzweig am Kreuz war gelb und verdorrt. Seit wann hängt er da schon?, fragte sie sich und reckte ihr Kinn dem Messias entgegen. Seit jener Zeit, als ich noch morgens und abends Goldstaub atmete. Sofort sackte ihr Kopf wieder herunter, und sie jammerte umso heftiger weiter.
    Sie kaufte alle Wirtschaftszeitungen. Hörte die Radiosendungen des Wirtschaftssenders BFM . Studierte wieder und wieder die Berichte angesehener Experten. Ging nach unten in die Loge der Concierge und bestach deren einzigen Sohn, Kevin, einen fetten, undankbaren Zwölfjährigen, damit er für sie bei Google die neuesten Trends und Entwicklungen der Finanzinstitute recherchierte. Er berechnete ihr einen Euro für die Verbindung, dazu einen Euro je zehn Minuten und zu guter Letzt noch zwanzig Cent pro ausgedruckter Seite … Ohne zu murren, unterwarf sie sich dem Gesetz dieses schwabbeligen Jungen, der sie nicht aus den Augen ließ, während er auf seinem Drehstuhl kreiste und einen Gummi zwischen Daumen und Zeigefinger schnalzen ließ. Das Geräusch klang wie eine singende Säge, die er mit den Zähnen spielte. Henriette zwang sich zu lächeln, um das Gesicht zu wahren, doch im Stillen schmiedete sie finstere Rachepläne.
    Wer hätte sagen können, was furchtbarer anzuschauen war: das Treiben des fetten, gierigen Kindes oder der kalte Zorn der knochigen Henriette? Auch wenn in diesem Duell nicht ein einziges Wort fiel, verriet es doch auf beiden Seiten offene Feindseligkeit und subtile Grausamkeit.
    Henriette tastete auf ihrem Bett nach dem neuesten Artikel, den Kevin ihr ausgedruckt hatte. Dem alarmierenden Bericht eines europäischen Instituts. Mehreren Experten zufolge würde der Immobilienmarkt zusammenbrechen, der Ölpreis explodieren, genau wie die Preise für Gas, Wasser, Strom und Agrarrohstoffe, und Millionen Franzosen würden im Laufe der nächsten vier Jahre ruiniert werden. »Und Sie könnten dazugehören!«, schloss der Brief. Es gab nur eine einzige Fluchtwährung, dachte Henriette, Gold! Sie brauchte Gold. Eine ganze Goldmine.
    Sie stöhnte leise unter ihren Decken. Wie sollte sie das anstellen? Wie bloß? Lieber Gott, hilf mir! Sie hustete, wimmerte, verfluchte Marcel Grobz und seine Gespielin, spulte ihre ewige Leier ab, dass er sie im Stich gelassen habe, sie ohne einen Cent habe sitzenlassen, sodass sie gezwungen sei, selbst zu sehen, wie sie zurechtkam, ohne bei der Wahl ihrer Mittel allzu zimperlich zu sein. Und dass ja niemand von ihr erwarte, Mitgefühl für die Not der anderen aufzubringen!
    Um die Panik zu bekämpfen, die sie in sich aufsteigen fühlte, musste sie dem Tag im Stehen begegnen. Sie zog den Fransenschal fester um ihre mageren Schultern und schob zwei bleiche Beine unter dem Laken hervor.
    Sie warf einen Blick aus dem Fenster, um zu sehen, ob der blinde Bettler, den sie regelmäßig bestahl, auf seinen Platz vor ihrem Haus zurückgekehrt war. Als sie ihn nirgends entdeckte, kam sie zu dem Schluss, dass er sich, angewidert von den kümmerlichen Einnahmen, die sich in seinem Hut sammelten, endgültig einen neuen Standort gesucht haben musste.

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