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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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zwei und sechs an mich, Liebes, dann stehe ich vor der Prüfungskommission.«
    »Wegen deiner Habilitation?«
    Joséphine hatte genickt.
    »Bist du nervös?«
    »Ein bisschen …«
    »Warum sollte es dir besser gehen als anderen«, hatte Zoé geantwortet und ihr einen Kuss gegeben. »Mach dir keine Sorgen, Maman, es wird alles gut gehen, du bist doch die Beste …«
    Sie hatte Marmeladenreste auf der linken Wange.
    Joséphine hatte einen Finger ausgestreckt, um das Waldbeerenrot abzuwischen, und ihr einen Kuss gegeben.
    Gegen Mittag war sie bereit.
    Sie vergewisserte sich ein letztes Mal, dass ihr Dossier vollständig war, zählte wieder und wieder die Seiten, die Bücher, die Artikel und knabberte dabei an den losen Häutchen an ihren Fingernägeln.
    Sie schaltete das Radio ein, um sich zu zwingen, an etwas anderes zu denken, ein Lied mitzusummen, über einen Scherz zu lachen, die Nachrichten zu hören. Gerade lief eine Sendung über Resilienz. Ein Psychiater erklärte, dass misshandelte Kinder, die innerlich zerbrochen waren, Kinder, die man verbrannt, geschlagen, vergewaltigt oder gefoltert hatte, später als Erwachsene dazu neigten, sich selbst als Objekt zu sehen. Als ein Objekt, das es nicht wert sei, geliebt zu werden. Und dass sie zu allem bereit waren, um geliebt zu werden. Ein Rad zu schlagen, Spagat zu machen, den Hals zu strecken, bis er so lang war wie der einer Giraffe, die Streifen eines Zebras überzuziehen …
    Sie betrachtete ihr Dossier in der großen bunten Supermarkttüte, nippte an der großen rosa Tasse …
    Dezember und sein beinahe weißes Licht. Ein Strahl toten Lichts fiel quer durch die Küche auf das Tischbein. Die Staubkörner im kalten Lichtstrahl wie im Strahl der Autoscheinwerfer …
    Fast vier Monate …
    Vier Monate, seit Iris Walzer tanzend im Wald gestorben war …
    Anfangs zählte ich die Tage und Wochen, jetzt zähle ich die Monate.
    »Diese Kinder«, ließ die Stimme im Radio nicht locker, »werden zu Erwachsenen, die so sehr nach Liebe verlangen, dass sie zu allem bereit sind, damit man ihnen ein paar Krumen davon zuwirft. Sie sind bereit, sich selbst zu vergessen, sich in den Wunsch des anderen zu verwandeln, sich in ihn einzuschleichen … Um ihm zu gefallen, um akzeptiert und endlich geliebt zu werden … Diese Kinder«, sprach sie weiter, »sind die ersten Opfer von Sekten, Verrückten, Folterern und Perversen, oder aber es geschieht genau das Gegenteil und sie werden zu aufrechten, starken Menschen, die auf wundersame Weise alles überleben. Beides ist möglich.«
    Joséphine lauschte den Worten aus dem Radio. Sie dachte ununterbrochen an ihre Schwester. Versuchte zu verstehen.
    »Zu allem bereit, um geliebt zu werden …«, wiederholte der Mann. »Nicht selbstsicher genug, um eine eigene Meinung, einen Zweifel zu äußern, die Worte eines anderen infrage zu stellen, ihr Territorium zu verteidigen … Wer sich selbst liebt, der respektiert sich und kann sich wehren. Der lässt sich nicht alles gefallen. Aber wenn wir uns selbst nicht lieben, lassen wir alle möglichen Leute auf uns herumtrampeln …«
    Sie hörte die Worte … Sie würden sich in ihrem Kopf einnisten, bereit zu wachsen, anzuschwellen. Um ihr eine Fährte zu weisen.
    Sie versuchte, sie zu vertreiben. Nicht jetzt, nicht jetzt! Später … Ich muss im zwölften Jahrhundert bleiben … Im zwölften Jahrhundert gab es keine Psychiater. Man verbrannte die Hexen, die in die Köpfe der anderen eindrangen. Man glaubte nur an Gott. Der Glaube war so stark, dass der heilige Eligius seinem Pferd ein Bein abschnitt, um es besser beschlagen zu können, und zu Gott betete, dass er es sogleich wieder ankleben möge. Das Pferd wäre beinahe verblutet, und der heilige Eligius war höchst erstaunt!
    Sie fuhr fort, monoton und konzentriert. Als spulte sie eine Multiplikationstabelle ab: »In das zwölfte Jahrhundert fällt die Errichtung von Kathedralen, Hospitälern und Universitäten … Im zwölften Jahrhundert entwickeln sich die ersten Ansätze einer höheren Bildung. In den aufstrebenden Städten wollen die Bürger, dass ihre Söhne lesen und rechnen lernen, an den Fürstenhöfen braucht man immer mehr professionelle Schreiber, Buchhalter, Archivare … Der junge Mann aus gutem Hause – und manchmal auch das junge Mädchen – muss Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik lernen … Der Unterricht wird auf Latein abgehalten … die Lehrer haben Schüler, die ihnen ein Gehalt bezahlen. Je

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