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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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von ihm weg, öffnete die Nachttischschublade, wühlte nach der Zigarettenpackung. Sie schüttelte eine heraus und zündete sie an. Funken sprühten. Wolf nahm sie ihr aus der Hand und zog daran.
    «Du bist unglaublich», sagte er. Seinem Ton war nicht zu entnehmen, ob er «unglaublich gut» oder «unglaublich schlecht» meinte. «Dich wiedergefunden zu haben ist mein größtes Glück. Und doch, ich wünschte …»
    «Ich weiß», sagte Poppy schnell. «Ich weiß.» Nicht weiterreden.
    «Ich dachte wirklich, ich sei glücklich. Mit Kim. Ich dachte wirklich, ich hätte es geschafft. Und jetzt bricht alles wieder auseinander.»
    «Scheiß-Internet», sagte Poppy, und dann begann sie zu weinen.
     
Nevada
     
    Sie musste wieder ganz von vorn beginnen. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Atha yoganusasanam … Hier beginnt nun die Lehre des Yoga. Am Anfang.
    Am Anfang war ihre Familie. Nevada hatte, nachdem Marie sie dreimal daran erinnert hatte, endlich ihren Termin beim Rheumatologen wahrgenommen. Obwohl die Abnützungserscheinungen an ihren Hand- und Fingergelenken minimal waren, vermutete er beginnende Polyarthrose, wenn nicht gar Polyarthritis. Er verschrieb ihr Schmerzmittel, von denen sie solche Magenschmerzen bekam, dass sie kaum mehr essen konnte und sich noch schwächer fühlte als zuvor schon. Marie hatte ihr ein rezeptfreies Mittel empfohlen, das die Magenwände schützen sollte. Doch davon wurde Nevada schwindelig. Oder waren die Ameisen von ihren Armen in ihren Kopf gewandert? Sie wusste es nicht. Marie schlug ihr vor, sich von einem Orthopäden untersuchen zu lassen, und machte gleich einen Termin für sie aus. Nevada ließ es zu. Marie schien einen geheimen Plan zu verfolgen. Sie nahm Nevadas Beschwerden als persönliche Herausforderung an. Nevada konnte das gut verstehen. Sie selber reagierte genauso, zum Beispiel auf Poppys flachen Atem, der sich nach zwei Jahren regelmäßigen Übens noch immer nicht vertieft hatte.
    Marie kam nur noch selten zu Nevada in die Stunde. Vielleicht hatte Gion sie verdrängt. Vielleicht, dachte Nevada, vielleicht konnte Marie sie als Lehrerin nicht mehr ernst nehmen. Wie sollte Nevada ihren Schülern helfen, wenn sie sich selbst nicht helfen konnte?
    Vielleicht war sie deshalb von der Yoga-Gemeinde verstoßen worden. Weil sie ein lebender Vorwurf an die Lehre war. Weil sie durch ihre bloße Anwesenheit Tag für Tag den unerschütterlichen Glauben aller in Frage stellte. Den Glauben, dass Yoga alles möglich und alles gut machte. Hieß es nicht in der Hatha Yoga Pradipika , das Üben von Pranayama, der Beherrschung des Atems, befreie von allen Krankheiten? Worauf wartete Nevada dann noch?
    Nevada saß im Schneidersitz auf ihrer Matratze. Sukhasana, der einfache Sitz. Wörtlich: der süße Sitz. Das war nun doch übertrieben, dachte Nevada. Süß war diese Sitzhaltung nicht. Aber möglich. Der mögliche Sitz. Konnte sie mehr verlangen? Sie stützte ihre Knie mit Kissen ab, legte ein weiteres auf ihren Schoß und stellte ihren alten Laptop darauf. Noch hatte Lakshmi das Kennwort für den Internetzugang nicht geändert.
    Alternative Heilmethoden , tippte Nevada in die Suchmaschine ein. 999 000 Einträge. Sie klickte auf Seiten aus der Schweiz . 91 900 Seiten. Die dritte oder vierte Seite, die sie anklickte, war die ihrer Schwester Sierra. Mit ihr hielt Nevada seit ihrer Rückkehr in die Schweiz einen losen E-Mail-Kontakt. Doch gesehen hatten sie sich in all den Jahren nie.
    Am Tag, an dem Nevada die Schweiz verlassen hatte, war Sierra zurückgekehrt, um sie zu ersetzen. Der Notfall-Klempner hatte Martha mit seinem frühen Klingeln mitten in einem Fressanfall unterbrochen. Und sie daran erinnert, dass die Toilette verstopft war. Das hatte sie vergessen. Sie würde die Frischbackbrötchen und den rohen Kuchenteig nicht erbrechen können. Vor lauter Wut und Verzweiflung hatte sie den überrumpelten Mann erst einmal in ihr Bett gezerrt, bevor sie ihn auf die Jagd nach der Ursache des üblen Geruchs schickte. Diese war bald gefunden. Der Klempner hatte Martha angeschaut, als sei sie verantwortlich für den Zustand des stinkenden Bündels Mensch, das die Sanitäter wenig später aus der Wohnung trugen. «Was bist du für eine Frau!» Dann musste er sich übergeben. Er! Die Sanitäter schauten sie mit demselben Blick an. Angeekelt. Nicht von der Sauerei in dem Zimmer, nein, von ihr, Martha. Als sei sie ein Monster und Beni ihr unschuldiges Opfer. Sie ließen sie nicht einmal

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