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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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in der Ambulanz mitfahren, sondern riefen die Polizei.
    Dabei lebte Beni noch. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo man ihn mit einer neuen Methode vom Alkohol entwöhnen würde. Im künstlichen Koma. Er würde gar nichts merken. Keine Entzugserscheinungen, nichts. Keine Strafe, dachte Martha gehässig. Beni kam immer ungeschoren davon. Doch die Polizisten sahen das nicht so. Sie fotografierten das Zimmer von allen Seiten. Sie packten Abfall und Fäkalien in durchsichtige Plastiktüten. Und sie nahmen Martha fest. Auf dem Polizeiposten wurde sie stundenlang vernommen und wegen fahrlässiger Körperverletzung angezeigt. Niemand wollte ihre Version hören. Niemand wollte glauben, was dieser Mann ihr angetan hatte. All die Jahre lang.
    Martha rief Sierra in Paris an. Sierra kam mit dem nächsten Zug. Sie ließ ihren frischgebackenen französischen Gatten mit dem vagen Versprechen zurück, es werde nicht lange dauern.
    Doch die Tage wurden zu Wochen und die Wochen zu Monaten. Die Geschichte wurde in der Boulevardpresse breitgetreten, Martha musste ihr Studio schließen. Als Beni schließlich entgiftet und geläutert aus dem Koma geweckt wurde, sah er von einer Anklage ab, und der Fall verlief sich im Sand. Sierra hätte einen halben Tag lang entkommen können. Bis Beni im Krankenhaus gründlich untersucht wurde. Jahrelanger Alkoholmissbrauch hatte erstaunlicherweise keine bleibenden Schäden hinterlassen, seine Leberwerte waren für sein Alter normal. Dafür waren diverse andere Organe, darunter sein Gehirn, von Krebs befallen. Beni Marthaler hatte noch sechs Wochen zu leben.
    «Sechs Wochen», beschwor Sierra ihren Mann am Telefon. «Sechs Wochen, chéri . Die steht meine Mutter alleine nicht durch, das verstehst du doch?»
    Chéri verstand. Sierra hätte sich über seinen Gleichmut gewundert, wenn sie nicht so beschäftigt gewesen wäre. Sie hätte sich eigentlich denken können, dass er sich längst über ihre Abwesenheit hinweggetröstet hatte. Doch Sierra blieb keine Zeit, um über ihre Ehe nachzudenken. Martha war fest entschlossen, die öffentliche Schmach wieder auszulöschen, indem sie sich ganz Benis Pflege hingab. Dabei entdeckte sie ihre Leidenschaft für alternative Heilmethoden und erreichte – vermutlich ungewollt –, dass aus den prognostizierten sechs Wochen drei Jahre wurden. Drei Jahre, die Martha brauchte, um sich mit Beni zu versöhnen. Wenigstens glaubte das Sierra. Wollte es glauben. Ihr Liebesopfer sollte schließlich nicht umsonst gewesen sein.
    Sierra hatte sich an der täglichen Pflege ihres Vaters nicht beteiligt. Dass ich dem noch den Hintern wische – nein! , hatte sie Nevada geschrieben. So weit kommt’s noch! Sie unterstützte ihre Mutter im Hintergrund. Sie recherchierte, informierte sich, bildete sich fort und baute ganz nebenbei Marthas Studio wieder auf. Als «ganzheitliche Gesundheitsoase» für Frauen. Mit integrierter Patientinnenanwaltschaft. Sierra Suave nannten sie sich. Die sanfte Säge. Wohltuend und wirkungsvoll. Eine Welle aus Stahl.
    Dieser Familie entkommst du nicht , hatte sie geschrieben. Das Machtgefälle zwischen den Schwestern hatte sich verschoben. Es kam nicht darauf an, wer die Ältere war. Die, die sich retten konnte, war die Stärkere. Nevada konnte Sierra nicht sagen, dass sie gewusst hatte, was sie im Zimmer ihres Vaters zurückließ. Deshalb wollte sie, konnte sie Sierra nicht sehen. Sie würde ihr nicht ins Gesicht lügen können. Als ob sie das ahnte, hatte auch Sierra in all den Jahren nie ein Treffen vorgeschlagen. Die Schwestern waren Einzelkämpferinnen. Jede in ihrer Ecke des Rings, der ihre Familie war.
    Nevada musste zurück auf Feld eins. Sie fischte ihr Handy zwischen den Kissen hervor und wählte die Nummer, die auf der Homepage stand.
    « Sierra Suave , wie kann ich Ihnen helfen?»
    «Mama?»
    Am nächsten Tag schon saß Nevada in Marthas Smart und tuckerte mit ihr über Land. Der Wagen hörte sich an wie ein Traktor und fuhr ungefähr so schnell.
    «Erst einmal müssen deine Energien ausgerichtet werden», sagte Martha. «Zum Glück habe ich Beziehungen. Und schau mich nicht so an! Man sollte meinen, als Yogalehrerin seist du etwas offener!»
    «Ich hab doch gar nicht geschaut!» Nevada bereute es schon, die Nummer gewählt zu haben. Martha hatte das Telefon abgenommen, Nevada nach der ersten Überraschung gezielt ausgefragt und dann die Kontrolle über das weitere Vorgehen übernommen.
    «Du wirst sie mögen», sagte Martha. «Sie heißt

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