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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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ab.»
    Ihre Mutter plapperte. Sie war nervös. Nevada lehnte sich zurück und schloss die Augen. Die Lehne gab nach, neigte sich sanft mit ihr nach hinten. Sie war noch nie so bequem gelegen. Hatte sich noch nie so sicher gefühlt. Der Sessel war wie eine große, warme, leicht geöffnete Hand, die sie hielt.
    King Kong, dachte sie. Genau so. Sie war die weiße Frau in der großen Pranke des Affen. Sie war seiner Willkür ausgeliefert. Aber was sollte sie machen? Hinunterspringen und auf den Straßen von New York zerschellen? Nein. Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als die Augen zu schließen, sich zurückzulehnen und zu hoffen, dass der Affe ihr wohlgesinnt war. Dass er sie nicht in seiner Hand zerquetschte. Auch nicht aus Versehen.
    Draußen schnelle Schritte. Robina trug Holzpantinen, die laut klapperten. Sie ging an der Tür vorbei und kam wieder zurück, klapperte eine Treppe hinunter und wieder herauf. Endlich betrat sie das Zimmer, atemlos.
    «Tut mir leid», sagte sie, «ich musste tatsächlich dreimal kontrollieren, ob ich den Herd ausgeschaltet habe. Ich weiß nicht, was heute mit mir los ist. Vielleicht ist es dein Besuch.» Sie wandte sich an Nevada, die vorsichtig die Augen öffnete.
    «Willst du nicht deine Jacke ausziehen?»
    Nevada seufzte. «Nein. Warum? Ist das ein Problem?»
    «Nein, nein, gar nicht. Kein Problem!» Robina zündete eine Kerze an und wedelte mit beiden Händen durch die Flammen. Dann setzte sie sich auf den zweiten Elefantenstuhl, der seufzend mit ihr nach hinten kippte. Sie war klein wie ein Kind, ihre Füße ragten nicht über die Sitzfläche des Sessels. «Na gut, dann fangen wir an.»
    «Was müssen Sie wissen?»
    «Nichts. Mach die Augen wieder zu, entspann dich.»
    Robina atmete ein paarmal geräuschvoll ein und aus. Dann begann sie etwas zu murmeln. Es klang wie ein Gebet. Nevada versuchte sich zu entspannen, das kannte sie schließlich, Rezitationen, die sie nicht verstand, atmen, stillsitzen …
    «So sei es», schloss Robina laut und bestimmt. Dann schwieg sie wieder.
    Muss ich etwas tun?, fragte sich Nevada. Wird etwas von mir erwartet? Wird sie mir sagen, was ich tun muss? Wird sie überhaupt etwas sagen? Warum fiel es ihr so schwer, sich zu entspannen? War das nicht ihr Beruf?
    «Dein zweites Chakra ist kaputt», sagte Robina plötzlich. «Ich muss es reparieren.»
    Nevada fühlte sich auf unerwartete Art beleidigt, fast empört. «Wie, mein Chakra ist kaputt, wie kaputt? Und warum das zweite?» Da saß, wenn sie sich richtig erinnerte, ihre Identität. Die brauchte sie.
    «Ich kann es nicht reparieren», sagte Robina mit entschuldigendem Unterton. «Ich glaube, es ist verbraucht. Ich werde es auswechseln.»
    Vor Nevadas innerem Auge tauchte ein Bild wie aus einem Trickfilm auf: Ein dicker gelber Käfer summte heran. Zwischen den vordersten Beinchen hielt er ein großes graues Zahnrad. Der Käfer trug eine blaue Schiebermütze und summte wie jemand, der selbstvergessen seiner Arbeit nachgeht. Er flog zu Nevadas Bauchnabel und setzte das Zahnrad dort ein. Er arbeitete schnell, routiniert, es schien keine große Sache zu sein. Nevada musste lächeln. Hatte sie ein Kinderbuch gehabt, in dem so etwas vorkam?
    «Deine Energie ist am Arsch», sagte Robina. «Bitte entschuldige meine Ausdrucksweise, aber so etwas sehe ich nur sehr selten. Ich versuche zu flicken, was ich kann.»
    «Hm», machte Nevada. Sie wollte fragen, was Robina damit meinte, aber sie brachte die Lippen nicht mehr auseinander.
    «Du bist vollkommen ausgelaugt», sagte Robina. «Ich muss dich auffüllen. Ich sehe eine hellrosa schäumende Flüssigkeit.»
    Im selben Moment sah Nevada sie auch. Sie kam aus einem alten, rissigen Gummischlauch. Gierig öffnete sie den Mund, doch der Schlauch bewegte sich zu ihrem Kopf.
    «Ich gieße die Flüssigkeit in dein Scheitelchakra. Von da verteilt sie sich überallhin, wo sie benötigt wird. Das wird eine Weile dauern. Aber es ist genug da.»
    Nevada fühlte, wie ihre Beine schwer wurden. Sie konnte sehen, wie ihre Füße aufgefüllt wurden mit der schäumenden Flüssigkeit, aber es war, als habe sie in jeder Fußsohle ein Loch. Die Flüssigkeit lief einfach durch sie hindurch. Sie versuchte, sie zu ihren schmerzenden Unterarmen zu lenken, es gelang ihr nicht. Robina begann etwas zu summen, ein kühler Lufthauch streifte Nevada. Sie blinzelte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Robina mit beiden Händen wedelte, als wollte sie etwas aus der Luft zu Nevada hinfächern.

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