Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
Vom Netzwerk:
habt ihr euch gestritten?» Hast du es ihr gesagt? Hast du ihr gesagt, dass du eine andere liebst? Mich liebst? Du liebst mich doch?
    Wolf schüttelte den Kopf. «Poppy, ich glaube nicht, dass es Kim gegenüber fair ist, wenn ich dir das erzähle.»
    «Stimmt.» Poppy trank einen großen Schluck Wein. «Aber ist es ihr gegenüber fair, wenn du mit mir schläfst?»
    «Poppy …»
    «Nein, hör zu, bitte: Das geht so nicht weiter. Wir können so nicht weitermachen. Das bin nicht ich. Verstehst du?»
    Wolf nahm sich ein Stück Brot, belegte es mit Käse, schnitte eine Essiggurke in dünne Scheiben. «Das bin auch nicht ich.» Er legte die Gurkenscheiben auf den Käse und nahm sie wieder herunter. Er schaute auf die Tischplatte. «Du hast recht, Poppy. So geht es nicht weiter. Es ist nicht fair, und es entspricht uns nicht, keinem von uns.»
    Poppy senkte den Kopf. Ihre Augen brannten. Er sprach genau das aus, was sie dachte, und doch und doch und doch … was hatte sie erwartet? Dass er vor ihr in die Knie sinken würde? O Poppy, ich kann ohne dich nicht leben! Ich habe mich von meiner Frau getrennt, die amerikanische Schlampe soll sich einen anderen Dummen suchen, den sie verprügeln kann …
    Wütend rieb sich Poppy die Augen. «Ich hole mir noch ein Glas», sagte sie dann, «willst du auch eins?»
    «Lass mich das machen.» Er nahm sein Portemonnaie aus der Manteltasche und stand auf. «Soll ich …?» Er deutete auf die Sonnenbrille, die neben seiner Brotkonstruktion auf der Tischplatte lag. Poppy schüttelte den Kopf.
    Während sie auf ihn wartete, sah sie aus dem Fenster. Sie spürte, wie sich in ihr Sätze bildeten, Sätze, die über ihre Lippen drängten. Sie biss von Wolfs sorgfältig belegtem Brot ab, stopfte es sich in den Mund, als könnte sie die Worte zurückdrängen. Zu Hause hatte es keinen Zweifel gegeben: Ich muss es ihm sagen, ich muss diese Situation beenden, sie ist unwürdig. Jetzt fühlte sie sich verraten, verlassen, als sei er es gewesen, der sie zurückgewiesen hatte.
    Sie nahm ihm das Weinglas aus der Hand, noch bevor er sich wieder hingesetzt hatte, und nahm einen großen Schluck. «Ich hasse das alles», stieß sie hervor. Und dann konnte sie nicht mehr aufhören: «Warum kann nicht einmal etwas in meine Richtung gehen? Warum kann ich nicht einmal bekommen, was ich mir wünsche? Warum bin ich am Ende immer die Verlassene, warum sitze ich immer alleine da, warum, warum, warum? Was hat sie, was ich nicht habe? Sie schmeißt dir Teller an den Kopf, und trotzdem würdest du sie nie verlassen. Es sind immer die anderen, die gewinnen, immer die anderen, die recht bekommen …»
    Sie wollte das alles nicht sagen, aber sie konnte nicht aufhören, die Worte bildeten einen Strudel in ihrem Kopf, der sie immer tiefer hinabzog. Sie wurde lauter und lauter, bis Wolf sie schließlich unterbrach.
    «Du hast mich verlassen», sagte er. «Weißt du noch? Du hast mich verlassen damals.» Er setzte die Sonnenbrille auf, den Schal, den Hut, er stand auf und zog seinen Mantel an. Dann beugte er sich zu Poppy hinunter und küsste sie auf den Scheitel. Wie ein Kind. Sie spürte den kalten Luftzug in ihrem Nacken, als er die Türe öffnete und ging.
    Es war still geworden im Lokal. Wie laut hatte sie gesprochen? Sie trank ihr Glas leer, und dann das, das Wolf stehen lassen hatte.
     
Marie
     
    Ich bin eine Fälschung, dachte Marie. Das war ihr Mantra geworden. Ich führe ein Doppelleben. Ich bin eine Fälschung. Ich bin eine Fälschung. Ich bin eine Fälschung.
    Ärztin bei Tag, Idiotin bei Nacht.
    Sie saß in der Cafeteria des Kantonsspitals, hatte ihr Handy in der Hand und klickte sich durch ihre Adressen. Sie hatte keine einzige Freundin mehr. Nicht, dass sie je viele gehabt hätte. An jedem neuen Arbeitsplatz war Marie in ihre Rolle geschlüpft, die des verlässlichen Kumpels, die der Zuhörerin. Keine dieser Freundschaften hatte den nächsten Stellenwechsel überdauert. Und hier, am Kantonsspital, war sie zum ersten Mal aus ihrer Rolle gefallen. Hier war sie die, die sich den Schauspieler geangelt hatte. Die glücklichste Frau der Schweiz. Das hatte ihre wenigen Freundschaften abrupt beendet.
    Marie dachte an ihre Eltern. Sie waren einmal so stolz auf Marie gewesen. Die erste Studierte in der Familie! Und dann noch Ärztin. Die Großeltern auf beiden Seiten waren Bauern gewesen. Hatten ihr Land verkauft, und ihre Kinder, Maries Eltern, hatten reich geerbt. Doch weder Martin Leibundgut noch seine Frau

Weitere Kostenlose Bücher