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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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Elisabeth hatten wirklich etwas mit dem Wohlstand anzufangen gewusst. Das Haus, das sie auf dem Land ihrer Eltern gebaut hatten, war nicht größer als das der Nachbarn. Die Hypothek nicht höher, als Martins Lohn erlaubte. Das Geld lag auf der Bank und vermehrte sich. Und wartete auf schlechtere Zeiten. Auf die Not, für die es angelegt war. Doch die Not kam nicht. Sie lebten ein schönes Leben. Sie waren gesund. Es fehlte ihnen an nichts. Nach Martins Pensionierung hatten sie eine Weltreise unternehmen wollen, doch dazu war es nie gekommen. «Der Garten», sagte Elisabeth jedes Jahr, wenn die Reiseprospekte im Briefkasten lagen.
    Marie war ein spätes Wunschkind gewesen. Alle Hoffnungen lagen auf ihr. Ihre Eltern glaubten noch immer, Marie würde in das Dorf zurückziehen, in dem sie aufgewachsen war, und die Praxis von Dr. Vogelsang übernehmen. Nur weil sie das einmal in einem Schulaufsatz so beschrieben hatte. Bei jedem Besuch, bei jedem Telefongespräch brachten sie sie auf den neuesten Stand: Dr. Vogelsang war nach Amerika ausgewandert. Sein Nachfolger, Dr. Naziri, hatte im Dorf einen schweren Stand. Viele junge Mütter brachten ihre Kinder zu Dr. Fankhauser ins Nachbardorf. Dr. Naziri hatte die Praxis aufgegeben. Eine Praxisgemeinschaft hatte das Gebäude übernommen …
    Dass Marie mit einem Schauspieler verheiratet war, beeindruckte sie nicht. Er war verheiratet gewesen, als er Marie kennenlernte. Er hatte sich ihretwegen scheiden lassen. «Mach uns keine Schande», hatte ihre Mutter gesagt. Das kannte Marie. Diese Forderung hörte sie, seit sie als Kind mit einem roten und einem blauen Schuh in den Kindergarten gehen wollte. Dabei machte sie keine Schande, nie, sie hatte gute Noten und anständige Freunde. Sie war nie zu spät gekommen, und seit sie erwachsen war, hatte sie nie einen Geburtstag oder den Muttertag vergessen. Jeden Sonntag rief sie ihre Eltern an, und einmal im Monat besuchte sie sie. Das Einzige, was sie ihr vorwerfen konnten, war, dass sie sie nicht zur Hochzeit eingeladen hatte. Die Feier hatte im allerkleinsten Rahmen auf dem Standesamt stattgefunden. Trauzeugen waren Gions Agentin und ein Kollege. Nicht einmal Stefanie hatte teilgenommen. Seither hatte Elisabeth einen schmalen Mund, und Martin schaute auf die Tischplatte.
    Nein. Da war niemand, mit dem Marie reden konnte. Niemand. Niemand würde verstehen, dass sie unglücklich war. Sie war die glücklichste Frau der Schweiz! Sie hatte den schönsten Mann der Schweiz geheiratet! Sie hatte, das durfte man nicht vergessen, seine Familie zerstört. Und wofür? Um zwei Jahre später zu jammern, sie halte es nicht mehr aus? Sie könne in seiner Gegenwart nicht atmen? Sie löse sich auf, sie wisse nicht mehr, wer sie sei? Wer sollte das verstehen? Wer sollte mit ihr Mitleid haben? Niemand.
    Marie hatte wieder angefangen zu rauchen. Bevor sie nach Hause ging, stand sie lange auf der anderen Straßenseite, mit hochgeschlagenem Kragen, fröstelnd, und schaute zu ihren Fenstern hinauf wie ein Privatdetektiv in einem schlechten Film. Dazu rauchte sie. Sie wartete, bis das eine Fenster hell wurde, das in Gions Arbeitszimmer, wo er immer öfter schlief. Seit er mit Yoga angefangen hatte, war er selten zu Hause, und Marie stellte fest, dass ihr das auch nicht recht war.
    Marie wusste nicht, wie es so weit hatte kommen können. In Gions Gegenwart hörte sie auf zu existieren. Erst nur in der Öffentlichkeit. Sie war nur ein verschwommener Fleck an seiner Seite. Irritiert glitten die Blicke über sie, sie störte das Bild, sie war im Weg. Marie vermied es, mit Gion auszugehen, was er ihr vor kurzem wieder vorgeworfen hatte. «Du unterstützt mich nicht!», hatte er gesagt.
    Die Vorstadtklinik war für einen Fernsehpreis nominiert gewesen, Marie war nicht zur Verleihung gekommen, sie hatte Dienst gehabt. «Wie sieht das aus, wenn ich da allein hingehe, man wird denken, wenn nicht mal seine eigene Frau an ihn glaubt, warum sollte er gewinnen!» Gion war auch als Einzeldarsteller nominiert worden.
    «Die Entscheidung wird doch nicht an diesem Abend gefällt, Gion, die steht längst fest!», hatte sie, wie sie dachte, vernünftig argumentiert.
    «Du verstehst mich nicht! Du hast keine Ahnung, was ich als Künstler durchmache!» Und dann kam es: «Eva hat das immer verstanden. Wer einen Schauspieler heiratet, muss seine Unsicherheiten auffangen können.»
    Marie hatte gedacht, Eva sei unsicher gewesen, von ihm abhängig, bedürftig, jedenfalls hatte er das

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