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Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen

Titel: Montagsmenschen - Moser, M: Montagsmenschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milena Moser
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hatte angefangen, den Tisch zu decken.
    Lilly schmiegte sich an Ted. «Danke», flüsterte sie. «Du denkst bestimmt, ich sei schwierig, ich mache Umstände, aber ich hab nun mal meine Prinzipien. Und es ist nicht immer leicht, ein konsequentes Leben zu führen!»
    Woraus diese Konsequenz bestand, wusste er immer noch nicht. So vieles wusste er nicht. So vieles lag noch vor ihnen.
    «Niemand denkt, du seist schwierig.» Ted drehte die Musik lauter. Er sah sie in der dunklen Scheibe gespiegelt, der gedeckte Tisch, das Kind, das um den Tisch tanzte, die schöne Frau, die eine Kerze anzündete, der Mann, der sich über sie beugte.
    Eine perfekte Familie.

 
    heya ṃ du ḥ khaman ā gatam
    Vorhersehbares Leid soll – und kann –
    vermieden werden.
    Patanjali Yoga Sutra 2 . 16

     
Poppy
     
    «So», sagte Poppy, «so kann es nicht weitergehen mit uns.»
    Wolf sagte nichts.
    «Bitte, Wolf, nimm wenigstens die Sonnenbrille ab.»
    Sie saßen in der Bar am Fluss. Wolf hatte sie in ihrer Wohnung treffen wollen, sie hatte abgelehnt. Niemals würde sie ihm sagen können, was sie ihm sagen wollte, wenn sie allein waren. Wenn er sie anfassen konnte. So hatte er nach der Yogastunde auf sie gewartet. Hinter einer Zeitung versteckt, mit einer Sonnenbrille und einem Hut.
    «Das ist lächerlich, weißt du das? So fällst du erst recht auf. Und außerdem siehst du aus wie ein Idiot. Wie aus einem schlechten Detektivfilm!»
    «Poppy, bitte.» Er sprach leise, als wollte er damit erreichen, dass auch sie leiser sprach. Er nahm den Hut ab und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. «Poppy, bitte nicht heute.»
    Poppy streckte die Hand aus. Er zuckte zurück. Sie ließ sich zurück in den Stuhl fallen.
    «Was zum Teufel ist mit dir los?», flüsterte er.
    Sie erinnerte sich an ein Sonntagsessen bei ihren ehemaligen Schwiegereltern. Die Sonntagsbesuche nahmen meist den ganzen Tag ein. Die Fahrt dauerte schon über eine Stunde, und Herbert, Peters Vater, begann das Mittagessen gern mit einem Glas Champagner. Um elf. Also begann der Sonntag mit morgendlicher Hektik, die Buben mussten baden, saubere Kleider anziehen, eine Karte zeichnen, Blumen pflücken, Poppy musste ihre Haare föhnen, Lippenstift auftragen, die Zeitungsartikel zusammensuchen, die sie für Marianne, ihre Schwiegermutter, gesammelt hatte. Marianne führte eine gutgehende psychoanalytische Praxis. Sie hatte immer gearbeitet, auch als Peter und seine drei Brüder noch klein waren. Was Peters Vater genau gemacht hatte, wusste niemand. Peter war als Sohn einer dieser legendären Frauen der ersten feministischen Generation aufgewachsen, die alles schafften und alles im Griff hatten. Warum sollte er von Poppy weniger als alles erwarten?
    Auf der Fahrt wurde es mindestens einem der Buben übel, und auf halbem Weg fiel Poppy meist ein, dass sie etwas vergessen hatte, den Blumenstrauß für Marianne, die Flasche Wein, die neuen Fotos der Buben, die sie extra hatte abziehen lassen. Peter fluchte. Er setzte die Grenze bei der Autobahnraststätte – wenn sie die passiert hatten, weigerte er sich umzukehren. Mit der Zeit hatte er sich angewöhnt, kurz vor der Ausfahrt zu fragen: «Poppy, was ist? Muss ich umkehren? Oder hast du zufällig mal nichts vergessen?»
    Genau, wie ihr Vater jeweils auf der Fahrt in die Ferien kurz vor der italienischen Grenze Poppys Mutter gefragt hatte. Ihr erstes Lebensziel, es besser zu machen als ihre Mutter, hatte Poppy nicht erreicht. Und auch sonst nichts, wo sie schon dabei war.
    Bis sie bei den Schwiegereltern ankamen, war von den hektischen morgendlichen Bemühungen nichts mehr zu sehen. Die Kinder waren weinerlich, schmutzig, bleich, Peter hüllte sich in eisiges Schweigen. Und Poppy war mehr als bereit für ein Glas Champagner. Mit ihrem Schwiegervater bildete sie eine Art Versorgungsgemeinschaft: Sie konnten immer aufeinander zählen, wenn sie nicht alleine trinken wollten.
    «Na, dann mach ich mal eine Flasche auf.»
    «Herbert, um diese Zeit?»
    «Ein kleiner Aperitif wird doch wohl erlaubt sein in zivilisierter Gesellschaft! Poppy, du nimmst doch auch einen Schluck?»
    «Sehr gerne.» Nach einem Glas Wein oder lieber zwei, schnell hintereinander getrunken, vergaß Poppy, was sie falsch gemacht hatte. Sie entspannte sich. Sie trank noch ein Glas. Manchmal fühlte sie sich dann richtig wohl. Bis zum nächsten Morgen.
    Bei einem dieser Essen hatte Florian, der damals vielleicht sechs oder sieben Jahre alt war, sein Glas umgestoßen. Der

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