Montana 04 - Vipernbrut
willenlos war. Er hörte nicht auf, sie zu küssen, hob sie hoch, umfasste mit den Händen ihre Pobacken und wollte gerade in sie eindringen, als sie sich ihm so schnell entwand, als hätte er einen Eimer kaltes Wasser über sie geschüttet. Sie hob den Kopf, blickte ihm tief in die Augen und sagte: »Nein! Ich-ich kann das nicht. Tut mir leid. O Gott, es tut mir schrecklich leid!« Sie stieß die Glastür der Duschkabine so heftig auf, dass sie gegen die geflieste Wand prallte, und sprang hinaus. Auf dem Weg ins Schlafzimmer schnappte sie sich ein Handtuch, ihre Füße hinterließen kleine nasse Pfützen. Er blickte ihr fassungslos nach.
»Selena! Warte!«
»Ich … ich kann das einfach nicht«, stammelte sie, als er ihr ins Schlafzimmer folgte, und schlüpfte hastig in ihre Jeans.
»Bitte geh nicht.«
»Warum nicht? Damit wir darüber >reden< können?«, schleuderte sie ihm entgegen, während sie mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft malte. »Es gibt nichts zu sagen. Ich kann das einfach nicht, okay?« Sie streifte sich ihr gelbes T-Shirt über, ihre Brustwarzen drückten sich hart gegen den dünnen Stoff. Tränen standen in ihren dunklen Augen, einer ihrer Ohrringe fing das Licht der Nachttischlampe ein und glitzerte verführerisch durch ihr nasses, schwarzes Haar. »Es tut mir wirklich leid«, sagte sie leise. Eine Träne war ihr über die Wange gerollt. Sie wischte sie ungehalten weg, zog den Reißverschluss ihrer Jeans zu, schnappte sich Schuhe und Strümpfe und rannte aus dem Schlafzimmer, dann lief sie mit nackten Füßen die gefliesten Treppenstufen hinunter.
Er trat an die Fenstertür, die auf eine kleine Dachterrasse mit Blick auf den Parkplatz führte, und sah zu, wie sie aus der Eingangstür stürmte und zu ihrem Wagen lief, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie sprang in den Honda und fuhr mit quietschenden Reifen vom Parkplatz, dann reihte sie sich in den dichten Verkehr auf der Hauptstraße ein, die durch diesen Teil von San Bernardino führte.
Als ihre Rücklichter verschwunden waren, war er sprachlos ins Badezimmer zurückgekehrt und hatte sich unter das noch laufende Wasser gestellt, um die kälteste Dusche seines Lebens zu nehmen.
Jetzt, unter dem harten Strahl, der wie feine Nadeln in seine Haut stach, stellte er fest, dass ihm allein der Gedanke an jene Nacht mit Selena Alvarez eine weitere Erektion beschert hatte.
»Ach, verdammt«, murmelte er, wappnete sich und stellte den Temperaturregler von warm auf kalt.
Pescoli hatte recht, dachte Alvarez, als sie durch ihre Haustür trat, sie war eine Schwindlerin, und sie belog nicht nur ihre Partnerin, sondern auch sich selbst.
Alvarez hatte etwas mit O’Keefe gehabt, auch wenn sie nicht miteinander geschlafen hatten, wie Pescoli vermutete. Sie hatte es versucht, aber das war völlig danebengegangen. Mein Gott, was für ein Chaos.
Sie erinnerte sich daran, wie sie nicht mehr in der Lage gewesen war zu essen oder zu schlafen, ihre Gefühle waren wie Stacheldraht gewesen, schmerzhaft, stechend, angespannt. Und dann war ihr dieser Fehler unterlaufen; sie war zwischen die Fronten geraten, hatte ihren Namen gehört, direkt bevor der Schuss fiel, und ihr Leben hatte sich für immer verändert, genau wie das von O’Keefe.
Das war deine Schuld.
Derselbe alte Vorwurf, den sie seit Jahren zu begraben versuchte, schoss ihr durch den Kopf. Wäre sie emotional nicht so angeschlagen gewesen, hätte sie nachgedacht, bevor sie gehandelt hätte; wäre sie Herrin der Lage geblieben, wie sie es trainiert hatte, ständen die Dinge heute vielleicht anders. Zu spät! Jetzt würde das ganze Debakel mit O’Keefe wieder hochkommen, was die ohnehin schwierige Situation nur noch komplizierter machte. Sie schlug die Tür hinter sich zu, knipste das Flurlicht an und legte den Riegel vor. Anscheinend zerfiel ihr ganzes wohlorganisiertes Leben soeben in eine Million Scherben.
»Reiß dich zusammen!«, befahl sie sich und zog ihre Jacke aus. Mrs. Smith kam auf ihren samtenen pf oten herbei, um sie zu begrüßen. Ihre weißen Schnurrhaare sahen drollig aus, zumal der Rest der Katze, mit Ausnahme der Pfötchen und einem weißen Fleck am Hals, pechschwarz war. »He, mein Mädchen«, sagte Selena und nahm Mrs. Smith auf den Arm, die sich an sie schmiegte. »Du vermisst Roscoe, hab ich recht?« Sie kraulte die Katze hinter den Ohren und hörte, wie Mrs. Smith anfing zu schnurren. Es klang, als würde ein kleiner Motor anspringen. »Ich vermisse ihn
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