Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Sharlene eigentlich das Geld aus, das er ihr jeden Monat per Scheck an eine Postfachadresse in Topeka schickte? Er wusste, ihre Großmutter löste den Scheck ein, noch bevor die Tinte trocken war, mit der er unterschrieben hatte. Gleich danach schickte sie das Geld per Kurier dorthin, wo sich Sharlene gerade aufhielt.
Natürlich hatte er so seine Vermutungen; schließlich kannte er Sharlene. Vermutlich investierte sie den Unterhalt in Kokain, hautenge Klamotten und Tattoos für den aktuellen Freund, vielleicht auch für sie selbst. Bonnie war unterdessen vermutlich mit Fast Food und Tiefkühlpizza ernährt worden.
Er zwang sich zur Ruhe. Nichts davon war Bonnies Werk. Im Gegensatz zu ihm und Sharlene war sie völlig unschuldig. Und trotzdem musste sie die Fehler ausbaden, die andere Menschen begingen.
Das hat jetzt ein Ende, schwor er sich.
So gern er auch Sharlene die alleinige Schuld an dieser Misere gegeben hätte – das wäre nicht fair gewesen. Er hatte gewusst, wer und was sie war, als er vor fast drei Jahren nach einem Rodeo mit ihr geschlafen hatte; an den Namen der Stadt konnte er sich nicht mehr erinnern. Sie hatten sich in einem billigen Motelzimmer einquartiert, und nach einer Woche voller Sex trennten sich ihre Wege wieder. Ein paar Monate später tauchte Sharlene wie aus dem Nichts auf und verkündete, sie sei von ihm schwanger.
Noch bevor er Bonnie gesehen hatte und sich von der Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden überzeugen konnte, wusste er, Sharlene sagte die Wahrheit. Es war für ihn so klar gewesen wie die Erkenntnis, dass sich jemand auf dem Parkplatz aufhielt, als er das Black Rose verließ.
Müde und wohl auch etwas verwirrt aß Bonnie nur kleine Happen von dem Essen, das der Zimmerservice brachte, dann legte sie sich wieder aufs Bett und schlief in ihrem Overall ein. Bekam sie noch immer Fertigmilch? Sollte er jemanden vom Hotel in die Stadt schicken, damit er Fläschchen und Milchpulver besorgte?
Seufzend und ratlos fuhr er sich durchs Haar.
Gleich morgen früh würde er mit ihr einen Kinderarzt aufsuchen. Allerdings würde er sie erst vernünftig einkleiden – nicht dass der Arzt das Jugendamt verständigte, sobald Dylan die Praxis betrat. Dann jedoch wollte er die Kleine gründlich untersuchen und sich erklären lassen, was um alles in der Welt Zweijährige eigentlich zu essen bekamen.
Als er überzeugt war, dass Bonnie tatsächlich fest schlief, deckte er sie behutsam zu und rief Madeline an. Sicher erwartete sie ihn bereits; sie wusste allerdings auch, dass sie erst zu nachtschlafender Zeit mit ihm rechnen konnte.
Er brauchte seine Kleidung, sein Rasierzeug und seinen Laptop.
“Dylan hier”, sagte er, als Madeline sich meldete.
“Na, gewinnst du wieder mal, Süßer?”, fragte sie mit ihrem leichten skandinavischen Akzent.
“Tu ich doch immer”, murmelte Dylan, während er seine schlafende Tochter betrachtete.
“Dann sollten wir das feiern”, säuselte sie. “Ich suche uns einen sexy Film im Kabelfernsehen aus, und dann …”
“Hör zu, Madeline, ich schaffe es heute Abend nicht mehr zu dir. Mir ist … ähm … was dazwischengekommen.”
“Wo bist du?” Ihr Tonfall hatte etwas Forderndes. Sie war nicht besitzergreifend, ansonsten hätte Dylan auch einen großen Bogen um sie gemacht. Aber sie hatte für die Dauer seines Aufenthalts in Vegas andere Angebote ausgeschlagen, und es gefiel ihr gar nicht, von ihm nun unverhofft versetzt zu werden.
“Ich bin im South Point …”, begann er.
“Zum Teufel mit dir!”, unterbrach sie ihn unüberhörbar verärgert. “Du hast irgendeine Frau abgeschleppt, wie?”
“Nicht so ganz.”
“Was soll denn das heißen?”
“Das soll heißen, dass ich mit meiner Tochter hier bin, Madeline”, erklärte er und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Schließlich wollte er Bonnie nicht aufwecken. “Sie ist zwei.”
Prompt kehrte das zuckersüße Säuseln zurück: “Oh, komm mit ihr her! Ich liebe Babys!”
Für einen Sekundenbruchteil dachte er über Madelines Angebot nach. Dann jedoch erinnerte er sich an ihre Vorliebe für spontanen Sex, an den abgestandenen Geruch nach Joints in ihrem Apartment und an die Schale mit farbenfroh verpackten Kondomen mitten auf dem Wohnzimmertisch.
“Ähm … nein”, sagte er. “Sie ist zu müde.”
Er merkte Madeline an, dass sie wieder wütend wurde. “Und warum rufst du mich dann überhaupt an?”, knurrte sie. Jeden Moment würde sie die Krallen ausfahren und ihn in Stücke
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