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Montedidio: Roman (German Edition)

Montedidio: Roman (German Edition)

Titel: Montedidio: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erri De Luca
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die Sommersprossen bewegen sich rings um die grünen Augen, die nach oben auf das große Fenster starren.
    D ER E NGEL HAT ES IHM noch einmal gesagt, denn den Menschen muss man alles zweimal sagen: »Ja, du wirst mit eigenen Flügeln nach Jerusalem fliegen, und du wirst Schuhe machen, zusammen mit Rav Johanan Hassàndler«, das würde bei uns Don Giuvanne, der Schuster, bedeuten. Wie war der Engel aus deiner Heimat, habe ich ihn gefragt. Es war einer, der Wodka aus Schnee machen konnte, hat er geantwortet. Den Schnee kenne ich, im Jahr sechsundfünfzig ist er gefallen und hat die Stadt reingewaschen, Neapel ist noch nie so weiß gewesen. »Der Schnee wäscht nicht, er deckt nur zu, macht alles gleich, er fegt nichts sauber«, lehrt mich Rafaniello, und ich bin still.
    I CH HÖRE SEINER G ESCHICHTE ZU und möchte ihm sagen, dass auch ich fliegen kann, aber nur über Neapel. Ich möchte ihm sagen, wie man das macht, wie die Körperhaltung sein muss, dass man mit den Augen lenkt, wenn du nach oben blickst, erhebst du dich, wenn du nach unten blickst, sinkst du. Ich möchte ihm das sagen, was ich im Traumschlaf gelernt habe, aber ich halte den Mund, ich kann nur in der Luft schweben, er aber hat richtige Flügel. Dann kommt Meister Errico zurück, ich lade die ungehobelten Bretter ab, doch die Splitter machen mir nichts aus, mir ist Leder auf der Haut gewachsen. Die Geschichten von Rafaniello stimmen mich fröhlich, pusten Luft in die Knochen, die Fröhlichkeit eines Segelfliegers. Abends bei der Waschküche oben will der Arm mit dem Bumerang zusammen losfliegen. Ich verlangsame den Schwung, und das Abbremsen macht den neuen Muskel härter, er bekommt dadurch die Form einer Schleuder.
    M EISTER E RRICO SAGT, dass Fischer nicht schwimmen können, das ist was für Sommerfrischler, die sich zum Vergnügen in die Wellen werfen und sich absichtlich in die Sonne legen. Die Sonne ist angenehm für den, der sie ausgestreckt genießt, ohne sich zu bewegen. Für den, der sie vom ersten Tageslicht bis zum Abend auf dem Rücken trägt, ist die Sonne wie ein Sack Kohlen. Wie der Buckel von Rafaniello, denke ich, aber ich sage es nicht, ich bin ein Werkstattgehilfe und habe dem Meister gegenüber keine Meinung zu haben. Und außerdem, wenn ich still bin, erzählt er weiter, und dann vergeht der Tag schneller. Die Fischer fahren in einem Boot mit Motor oder mit Rudern aufs Meer und machen sich nicht mal das Gesicht nass. Über den Kopf ziehen sie sich eine Baskenmütze, die selbst der Wind ihnen nicht wegreißen kann. Bei den alten Seeleuten riechst du den Tabak, den Schweiß, aber nicht das Salz. Sonntags gehen sie fein angezogen aus, im weißen Hemd. Im Golf gibt es nur wenige Fische zum Fangen, um etwas an Land zu bringen, muss man den ganzen Tag draußen auf dem offenen Meer bleiben. Alles, was ich über das Meer höre, finde ich spannend, ich kenne es nicht, ich sehe es, aber ich weiß nichts darüber. Meister Errico erzählt mir gerne etwas, der andere Gehilfe hat ihm nur gelangweilt zugehört. Er würde gerne immer weiter reden, aber »’a iurnata è ’nu muorzo« , ein Tag ist schnell gegessen, seufzt er, und zum Abschluss sagt er, dass das Salz vom Meer bitter ist wie das vom Schweiß, und beide sind nicht gut für das Nudelwasser.
    A US DEM D UNKEL bei der Waschküche taucht Maria auf. Ihre dreizehn Jahre sind erwachsener als meine, der Körper ist bei ihr schon fertig. Drei Fingerbreit unterhalb ihres kurzen schwarzen Ponys ist ihr Mund mit den schnellen Worten, ich sehe sie über ihre vollen Lippen herausrutschen. Das Lächeln teilt ihr Gesicht von einem Ohr zum anderen. Maria kennt die Bewegungen der Frauen. Ich stehe vor ihr, und mein Bauch fühlt sich leer an, ich habe Hunger auf Brot, Lust, in ihr Butterbrot zu beißen. Sie bietet es mir an, ich sage Nein. Sie hat entdeckt, dass ich mit dem Bumerang trainiere, sie ist neugierig. Sie hört mich hinaufsteigen, an ihrer Tür vorbeigehen. Sie kommt näher, der Abend ist warm und trägt ihre Düfte herbei, Schokolade, Oregano, Zimt, ich atme tief durch die Nase ein, das ist französisches Parfüm, sagt sie, dabei holt sie das »r« aus der Kehle.
    E S IST DUNKEL, ich halte das Holz des Bumerangs umklammert, zeige ihn ihr. Maria weiß, was das ist und was er kann. »Aber du lässt ihn ja gar nicht fliegen. Warum wirfst du ihn nicht?« Ich würde ihn verlieren. »Wenn er nicht fliegt, ist er zu nichts nütze«, ich weiß keine Antwort, ich komme hier herauf, um die Feder

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