Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
eine Minute lang rang er verzweifelt nach Luft. Connies Gewicht lastete so schwer auf ihm, daß er nicht atmen konnte. Allmählich begann das Zimmer vor seinen Augen zu verschwimmen, und er hatte furchtbare Angst, in Ohnmacht zu fallen.
Mit einer letzten Kraftanstrengung gelang es ihm schließlich, sich so weit zu drehen, daß er einigermaßen Luft bekam. Doch nun mußte er sich daranmachen, sich aus Connies schlaffer Umklammerung zu befreien.
Unter Einsatz all seiner Kräfte schaffte er es schließlich, sich aus Connies Würgelast zu lösen. Er rappelte sich auf und keuchte. Für einen Augenblick war er versucht zu fliehen; doch dann blieb er wie angewurzelt stehen und starrte auf seine inzwischen auf dem Bauch liegende Frau hinab. Mit einem Mal überkam ihn eine unheimliche Angst. Obwohl Connie schon halb tot war, hätte sie es um ein Haar geschafft, sich an ihm zu rächen.
Das entfernte Heulen einer näher kommenden Sirene holte ihn schlagartig zurück in die Realität. Er mußte etwas tun! Das Notarztteam würde wissen wollen, warum die leidende Frau neben ihrem Bett auf dem Boden lag, noch dazu auf dem Bauch. Was sollte er darauf antworten? Er hätte sie besser auf dem Bett liegengelassen; aber sie wieder zurückzubugsieren war völlig unmöglich.
Wissend, wie wenig Zeit ihm blieb, ging er in die Hocke und zog mit aller Kraft so lange an Connies Armen, bis ihr Kopf in Richtung Bad wies. Dann wuchtete er sie auf den Rücken, packte sie wieder an den Achseln und schleppte sie ins Bad. Er wollte es so aussehen lassen, als ob sie im Bad zusammengebrochen war und sich an einer der zahlreichen Armaturen das Auge eingeschlagen hatte.
Die Sirene wurde immer lauter. Er prüfte ein letztes Mal, ob mit Connie alles okay war, eilte zurück ins Schlafzimmer und brachte das Laken in Ordnung, das zusammen mit Connie zu Boden gegangen war.
Kräftiges Pochen an der Haustür trieb ihn zu höchster Eile an. Kaum hatte er die Tür geöffnet, stürzten zwei Notarzthelfer in den Flur, ein Mann und eine Frau, die diverse Instrumente bei sich trugen.
»Wo ist die Patientin?« fuhr die Frau ihn an.
Yuri zeigte auf Connies Zimmertür. »Im Bad hinter dem Schlafzimmer.«
Yuri folgte den Sanitätern, die Connie sofort zur Hilfe eilten. Sie quetschten sich ins Bad und preßten ihr als erstes eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht. Yuri hoffte inständig, daß sie sich nicht wie durch ein Wunder wiederbeleben ließ.
»Sie atmet flach, und ihr Herz schlägt!« rief die Helferin ihrem Kollegen zu. »Aber ihre Hautfarbe gefällt mir überhaupt nicht. Wir sollten sie sofort mit dem Handbeutel beatmen.«
Yuri beobachtete, wie die Notarzthelfer Sauerstoff in Connies Lungen pumpten. Ihre Brust hob sich erheblich höher, als wenn sie aus eigener Kraft atmete.
»Kein Widerstand«, stellte der Helfer fest, der den Beatmungsbeutel in bestimmten Intervallen zusammenpreßte.
»Was ist hier passiert?« wandte sich die Frau an Yuri, der in der Tür stand und sich Mühe gab, leidend auszusehen. Während sie sprach, befestigte sie mehrere EKG-Ableitungen an Connies Körper.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Yuri. »Sie hatte heute abend leichte Schwierigkeiten beim Atmen, aber so schlimm war es auch wieder nicht. Und dann habe ich gehört, wie sie hingefallen ist. So habe ich sie gefunden.«
Die Frau nickte. »Hat sie unter Asthma gelitten?«
»Ja«, erwiderte Yuri. »Ziemlich stark sogar.«
»Wie sieht es mit Allergien aus?« wollte die Helferin wissen.
»Die hat sie auch«, gab Yuri Auskunft.
»Hat sie über Schmerzen in der Brust geklagt?«
»Nein«, erwiderte Yuri. »Überhaupt nicht.«
Die Frau nickte wieder. Sie erstellte mit Hilfe des EKG-Gerätes eine Rhythmuskurve und zeigte sie ihrem Partner. Dabei erklärte sie, daß das Herz der Patientin langsam, aber regelmäßig schlage. Ihr Partner nickte.
Die Frau hob den Kopf und sah Yuri an. »Wieviel wiegt Ihre Frau?«
»Keine Ahnung«, meinte Yuri betreten. »Ziemlich viel.«
»Das sehe ich«, bemerkte die Helferin. Dann zog sie ein Sprechfunkgerät aus der Gurttasche und funkte ihre Basis an. Sie teilte der Zentrale mit, daß sie mindestens drei weitere Helfer brauche, um eine bewußtlose, extrem übergewichtige Patientin in den Krankenwagen zu transportieren, deren Zustand im Moment stabil sei.
Mit vereinten Kräften hievten die Helfer Connie aus dem Bad, wuchteten sie auf eine Tragbahre und schleppten sie in den Rettungswagen. Yuri schenkten sie währenddessen keinerlei Beachtung;
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