Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
aber sie erlaubten ihm, Connie ins Krankenhaus zu begleiten. Sie war während der gesamten Fahrt intubiert und wurde künstlich beatmet.
Im Krankenhaus wurde Connie sofort in den Behandlungsbereich gebracht. Yuri mußte zunächst an der Aufnahme Angaben über ihre Versicherung machen, dann verbannte man ihn in den Wartebereich. Irgendwann kam ein zerzaust aussehender Arzt mit Pferdeschwanz auf ihn zu und wollte Connies Krankengeschichte aufnehmen; vor allem interessierten ihn ihre asthmatischen Beschwerden und Allergien. Yuri erzählte ihm, daß seine Frau in letzter Zeit kaum unter Atembeschwerden gelitten habe, zumindest nicht, seitdem sie verheiratet seien. Er berichtete dem Arzt aber auch, daß sie ihm von etlichen Krankenhaus- und Notaufnahmebesuchen aus der Zeit erzählt habe, bevor sie sich kennengelernt hatten. Gegen was sie alles allergisch sei, wisse er nicht so genau; er vermutete gegen Dinge wie Nüsse, Katzen, Staub und Pollen.
»Wie geht es ihr?« fragte er vorsichtig, als der Arzt sich wieder auf den Weg machte.
»Ziemlich schlecht, um ehrlich zu sein«, gestand der Arzt. »Wir fürchten, daß ihr Gehirn zu lange ohne Sauerstoff war. Wir können bei ihr keinerlei periphere Reflexe feststellen, und das verspricht im Hinblick auf ihre Hirnfunktion nichts Gutes. Es sieht wirklich schlecht aus. Tut mir leid.«
Yuri nickte. Er wünschte, er könnte weinen, doch es gelang ihm nicht. Statt dessen ließ er den Kopf hängen. Der Arzt klopfte ihm auf die Schulter und verschwand.
Eine Stunde später kam der gleiche Arzt zurück. Diesmal trug er über seinem zerknitterten pyjamaähnlichen Outfit einen weißen Kittel. Auf seinem Namensschild stand Dr. Michael Cooper. Er setzte sich neben Yuri. Yuri sah in die graugrünen Augen des Arztes.
»Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie«, begann Dr. Cooper.
Yuri erstarrte. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie Connie sich plötzlich in ihrem Notaufnahme-Bett aufrichtete und mitteilte, daß irgend etwas in ihrem Eis gewesen sei, das sie habe doppelt sehen lassen, und womit alles angefangen habe. »Ihre Frau ist entschlafen«, sagte Dr. Cooper leise. »Wir haben alle unser Bestes getan, aber wir konnten ihr nicht mehr helfen. Es tut mir furchtbar leid.«
Yuri schossen Tränen in die Augen. Daß es Freudentränen waren, konnte ja niemand ahnen. Er war begeistert, daß er sein Theater nun doch noch mit Tränen unterstützen konnte. Am meisten aber freute ihn, daß sein Plan funktioniert hatte: Er hatte sich Connie auf angemessene Weise vom Leibe geschafft. Trotz seiner Befürchtungen hatte alles geklappt. Er war frei, und Curt würde mit ihm zufrieden sein.
»Es muß ein furchtbarer Schock für Sie sein«, fuhr Dr. Cooper fort. »Ihre Frau war ja noch so jung.«
»Danke«, brachte Yuri hervor. Er wischte die Tränen mit dem rechten Zeigefingerknöchel weg und achtete darauf, daß dem Arzt seine Gebärde nicht entging. »Dann muß ich mich jetzt wohl um ihren Leichnam kümmern. Kennen Sie jemanden, der mir dabei helfen kann? Ich habe so etwas noch nie gemacht.«
»Natürlich«, erwiderte Dr. Cooper. »Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen in ein paar Minuten jemanden von der Fürsorge vorbeischicken. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Heute müssen Sie in dieser Angelegenheit keine Entscheidungen mehr treffen.«
»Nein?« fragte Yuri. »Warum nicht?«
»Weil Ihre Frau ein sogenannter Fall für die Gerichtsmedizin ist«, erklärte Dr. Cooper.
»Heißt das, daß eine Autopsie vorgenommen wird?« fragte Yuri bestürzt.
»Ja«, bestätigte Dr. Cooper. »Aber ich kann Ihnen versichern, daß die Gerichtsmediziner dabei äußerst respektvoll vorgehen.«
»Aber warum eine Autopsie?« drängte Yuri. »Sie kennen die Diagnose doch.«
»Stimmt«, bestätigte Dr. Cooper. »Wir wissen, daß Ihre Frau nach einer Asthma-Vorgeschichte an akutem Atemnotsyndrom gestorben ist. Aber man muß auch bedenken, daß sie noch relativ jung war und – von diesem bedauerlichen Anfall abgesehen – trotz ihres Übergewichts im Grunde gesund. Wir halten es alle für das Beste, sie noch von einem Gerichtsmediziner untersuchen zu lassen – nur um sicherzugehen, daß wir nichts übersehen haben. Ich möchte Sie aber nicht beunruhigen. Das ist reine Routine in solchen Fällen.«
»Sie haben bestimmt nichts übersehen«, platzte Yuri heraus. »Danke für Ihr Vertrauen«, entgegnete Dr. Cooper. »Aber sicher werden auch Sie besser mit dem Verlust Ihrer Frau fertig
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