Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
Park West und den gegenüber der 106 th Street gelegenen Parkausgang zu.
Bei dem wunderschönen Wetter war die Fahrt durch den Park einfach herrlich gewesen. Der erste Teil seines Nachhauseweges, die Strecke über die First Avenue, hatte wie immer ein bißchen an seinen Nerven gezerrt, aber irgendwie liebte er diese kleinen Adrenalinstöße auch. Als er den Pulitzerbrunnen umrundet hatte, war er in einer solchen Hochstimmung gewesen, daß er kurzfristig in Versuchung war anzuhalten und die im Abendlicht erstrahlende nackte Abundance-Statue zu bewundern. Doch am meisten hatte ihm wie immer die Fahrt durch den Park gefallen. Als das Menschengewimmel am Parkeingang hinter ihm zurückblieb, hatte er voll in die Pedale getreten. Er war sich vorgekommen wie in einem Traum, in dem er fliegen konnte.
Er wartete, bis die Ampel auf Grün umsprang, überquerte die befahrene Central Park West und radelte in seine Straße ein. Da inzwischen die Abkühlphase seiner Tour dran war, hatte er in einen kleinen Gang heruntergeschaltet und strampelte sehr schnell, ohne einen nennenswerten Widerstand zu spüren. Am Maschendrahtzaun des Basketballplatzes hielt er an. Wie nicht anders zu erwarten, war ein Spiel im Gange. Warren und Flash spielten wieder in gegnerischen Mannschaften.
»Hi, Doc!« rief Warren ihm zu. »Los, beweg deine müden Knochen aufs Spielfeld!«
»Hoffentlich seid ihr heute abend gut in Form!« rief Jack zurück. »Gleich wird euch nämlich Hören und Sehen vergehen!«
»Oho!« johlte Spit. Er war einer der jüngeren Spieler und Warrens Protegé. »Der Doc will uns mit seiner Schocktherapie drohen.« Die Basketballkumpels machten sich einen Spaß daraus, gekonnte Spielzüge von Jack so zu bezeichnen. »Ihr könnt euch auf ganz gewaltige Schocktherapien gefaßt machen!« verhieß Jack. Dann stieß er sich vom Zaun ab und überquerte die Straße. Er wollte so schnell wie möglich auf den Platz. Seine Mannschaft schaute ihm nach.
Vor seiner Haustür zögerte er und überlegte, ob er mit dem Taxi oder dem Fahrrad zu Laurie fahren sollte. Eigentlich bevorzugte er eindeutig eine weitere Bewegungstour; aber er war auch bereit, Laurie ihren Wunsch zu erfüllen. Während er mit sich rang, fiel ihm ein anderer Radler auf, der gerade aus dem dunklen Park gefahren kam. Jack stutzte. Der Mann stolperte und schwankte, als ob er vollkommen erschöpft oder gar verletzt wäre.
Jack beobachtete den Mann noch eine Weile, um ihm notfalls zu Hilfe zu eilen; doch er sah schnell, daß seine Dienste nicht gefragt waren. Der Mann holte ein Handy hervor und telefonierte, während er den Knopf der Fußgängerampel drückte.
Als Jack sich schließlich doch zu einem Taxi durchgerungen hatte, um bei Laurie vorbeizufahren, schulterte er sein geliebtes Fahrrad und betrat das Haus. Weil er schnell auf das Spielfeld wollte, nahm er jeweils zwei Stufen auf einmal. Er schloß seine Wohnungstür auf, schob das Fahrrad hinein und stellte es an der Wand ab. Ohne auch nur die Tür zum Hausflur zu schließen, eilte er ins Schlafzimmer und zog sich schon auf dem Weg dorthin seine Arbeitskleidung aus.
Zu seinem Ärger konnte er die Basketballsachen nicht sofort finden. Als er sie nach ein paar Minuten endlich aufgestöbert hatte, zog er sie hastig über. Zu guter Letzt streifte er sich ein dunkelblaues Nike-Stirnband über den Kopf und schlüpfte in ein altes Kapuzenshirt. Dann hastete er in die Küche. Er wollte sich schnell noch einen Schluck Wasser gönnen. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Sein erster Gedanke war, nicht abzuheben und den Anrufbeantworter anspringen zu lassen, doch dann machte er sich klar, daß ihn außer Laurie eigentlich kaum jemand zu Hause anrief. Also nahm er doch ab und hoffte, daß sie es war.
»Hallo«, meldete er sich kurz. Am anderen Ende herrschte Stille. Er rief noch ein paar weitere Hallos in den Hörer, doch genau wie kurz zuvor in seinem Büro vernahm er auch jetzt lediglich ein Geräusch, das wie ein Wasserfall klang und von gelegentlichem Hupen unterbrochen wurde. Genervt legte er auf.
Er war gerade ein paar Schritte gegangen, als das Telefon erneut klingelte. In der Hoffnung, daß es sich ein paar Sekunden zuvor um eine Leitungsstörung gehandelt hatte, nahm er den Hörer noch einmal ab. Diesmal war er froh, daß er das Klingeln nicht ignoriert hatte. Es war Laurie.
»Hast du mich vor zwei Sekunden schon mal angerufen?« fragte er.
Laurie verneinte. »Hat dein Telefon geklingelt?«
»Ja«,
Weitere Kostenlose Bücher