Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
sollten Sie nächste oder übernächste Woche kommen.« Es herrschte eine Pause. Lauries Hand mit dem Hörer zitterte.
»Wie wär’s nächsten Freitag?«, fragte die Sprechstundenhilfe kurz darauf. »Also heute in einer Woche, um dreizehn Uhr dreißig?«
»Das würde passen«, meinte Laurie. »Danke, dass Sie mich noch untergebracht haben.«
»Gerne. Dürfte ich jetzt noch bitte Ihren Namen haben?«
»Ach, Entschuldigung, dass ich ihn noch gar nicht genannt habe. Ich bin Dr. Montgomery.«
»Dr. Montgomery! Ich erinnere mich. Wir haben gestern miteinander telefoniert.«
Laurie zuckte zusammen. Jetzt war ihr Geheimnis sozusagen öffentlich. Auch wenn sie die Sekretärin nie gesehen hatte, kannte diese ein schreckliches, privates Detail aus Lauries Leben, von dem Laurie selbst noch nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte. Es mussten schwierige Entscheidungen getroffen werden.
»Herzlichen Glückwunsch!«, fuhr die Sprechstundenhilfe fort. »Bleiben Sie in der Leitung! Ich bin sicher, Dr. Riley möchte wenigstens kurz Hallo sagen.«
Ohne dass Laurie die Möglichkeit hatte zu reagieren, ertönte die Wartemusik. Einen kurzen Moment lang dachte sie daran, einfach aufzulegen. Um nicht die Nerven zu verlieren und sich abzulenken, nahm sie den ersten Bericht vom Stapel mit den Todesbescheinigungen und Ermittlungsberichten aus Queens und begann zu lesen. Der Name der Patientin lautete Kristin Svensen, sie war dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und ins St. Francis Hospital gegangen, um sich einige Hämorrhoiden wegoperieren zu lassen. Laurie schüttelte den Kopf über die Tragweite der Tragödie. Im Vergleich dazu waren ihre Probleme bedeutungslos.
»Dr. Montgomery! Ich habe gerade die gute Nachricht gehört. Herzlichen Glückwunsch.«
»Sagen Sie ruhig Laurie zu mir.«
»Ja, gut, dann bin ich Laura.«
»Ich weiß nicht, ob Glückwünsche angebracht sind. Ich will ganz offen reden: Für mich war das eine völlig unerwartete Überraschung zum ungünstigsten Zeitpunkt, deswegen weiß ich nicht, wie’s mir damit geht.«
»Ich verstehe«, sagte Laura, während sie ihre Begeisterung taktvoll im Zaum hielt. »Wir müssen trotzdem sicherstellen, dass Sie und der Fötus völlig in Ordnung sind«, fügte sie hinzu. »Haben Sie irgendwelche Probleme?«
»Leichte Übelkeit am Morgen, aber die vergeht schnell wieder.« Laurie fühlte sich nicht wohl dabei, über die Schwangerschaft zu reden, und wollte das Gespräch rasch beenden.
»Geben Sie Bescheid, wenn es schlimmer werden sollte. In den Tausenden von Schwangerschaftsbüchern sind viele Möglichkeiten beschrieben, wie Sie damit fertig werden können. Apropos Bücher, halten Sie sich am besten von den allerkonservativsten fern. Die machen Sie nur wahnsinnig. In manchen steht, dass Sie noch nicht mal mehr ein heißes Bad nehmen dürfen. Aber das reicht fürs Erste, wir sehen uns dann am Freitag.«
Laurie dankte ihr und legte auf. Sie war erleichtert, den Anruf hinter sich gebracht zu haben. Als sie den Stapel mit den Computerausdrucken in die Hand nahm und mit den Kanten auf den Schreibtisch tippte, um sie gleichmäßig übereinander zu legen, spürte sie ein ganz leichtes Ziehen an der gleichen Stelle wie vorher im Umkleideraum. Hätte sie Laura Riley davon oder gar von dem positiven BRCA1-Gentest erzählen sollen? Ach, das konnte sicher bis zur Sprechstunde nächste Woche warten, solange das Ziehen nicht häufiger vorkam oder stärker wurde.
Die Blätter in der einen Hand, griff Laurie mit der anderen wieder zum Telefonhörer, zögerte aber. Sie wollte Roger aus mehreren Gründen anrufen, nicht zuletzt, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte, ihn so im Dunkeln tappen zu lassen. Aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie war aus vielerlei Gründen noch nicht bereit, ihm die Wahrheit zu sagen, aber irgendetwas würde sie sagen müssen. Schließlich entschloss sie sich wieder einmal für das BRCA1-Thema.
Laurie hob den Hörer ab und wählte Rogers Durchwahl. Eigentlich wäre sie gern mit den Kopien der Unterlagen aus Queens zu ihm gegangen, um direkt mit ihm darüber reden zu können. Obwohl ihre privaten Probleme ein solches Chaos in ihrem Kopf verursachten, hatte sie eine Idee bekommen, wie sich die geheimnisvollen Fälle von plötzlichem Erwachsenentod vielleicht lösen ließen.
Kapitel 14
I m Manhattan General Hospital wurde Laurie gleich in Rogers Büro geschickt. Er hatte schon auf sie gewartet und schloss gleich hinter ihr die Tür. Dann nahm er
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