Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
ich ganz vergessen.«
Es herrschte eine unangenehme Pause. Auch alle anderen im Raum schwiegen, nur der Fernseher lief. Roger hatte den Eindruck, dass alle zuhörten.
»Und was wollen Sie?«, fragte José.
»Ich wollte nur schauen, ob Sie zufrieden sind und es keine Probleme gibt.«
»Was meinen Sie mit Problemen? Ihre Anspielungen können Sie sich sparen.«
»Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen«, beschwichtigte ihn Roger. »Ich möchte nur die Mitarbeiter kennen lernen. Wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen.« Roger streckte seine Hand José hin, der ganz rot im Gesicht geworden war.
José beäugte Rogers Hand, machte aber keine Anstalten, sie zu schütteln. Außerdem blieb er sitzen. Langsam hob er den Blick, bis er den von Roger traf. »Sie haben ganz schön Nerven, hier wie aus dem Nichts aufzutauchen und mich nach Problemen zu fragen«, meinte er aufgebracht und stieß mit dem Finger drohend in Rogers Richtung. »Es ist besser, nicht mehr in der Vergangenheit zu wühlen, zum Beispiel, dass ich Schmerzmittel wegen meines Rückens genommen habe oder wegen Kunstfehlern angeklagt war. Wenn Sie das nämlich tun, werden Sie und der Rest der Verwaltung von meinem Anwalt hören.«
»Beruhigen Sie sich doch«, drängte Roger sanft. »Das hatte ich absolut nicht vor.« Er war fassungslos angesichts von Josés Streitlust und abwehrender Haltung, doch er zwang sich, die Nerven zu bewahren. Wenn Dr. Cabreo mit so wenig zu provozieren war, dann war er vielleicht auch in anderer Hinsicht unberechenbar. »Eigentlich wollte ich hauptsächlich fragen, wie es mit Dr. Motilal Najah klappt«, fügte er rasch hinzu, um die Spannung etwas zu lockern. »Sie sind ja schon lange hier, und Dr. Najah ist ein relativer Neuling. Deswegen war ich an Ihrer Meinung interessiert.«
Josés Feindseligkeit und Anspannung ließen etwas nach, als er Roger bedeutete, sich neben ihn zu setzen. Dann beugte er sich zu Roger hinüber und fragte leise: »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Motilal ist eigentlich derjenige, mit dem Sie reden sollten, wenn Sie sich Gedanken über Probleme machen.«
»Wie das?«, fragte Roger. José warf ihm einen verschwörerischen Blick zu. Auch wenn er kein Serienmörder sein sollte, wäre er der letzte Mensch, den Roger bei einer Operation als Anästhesist dabeihaben wollte.
»Der Mann ist ein Einzelgänger. Also wir sind hier ja ein eingeschworenes Team, aber er kommuniziert nur auf beruflicher Ebene mit den anderen. Er isst immer alleine und kommt nie hier rein, um mit jemandem zu reden. Und wenn ich sage nie, meine ich nie.«
»Beim Einstellungsgespräch hat er aber sehr sympathisch gewirkt«, hielt Roger dagegen. Er konnte sich genau erinnern, wie er von Motilals Offenheit und seiner freundlichen Art beeindruckt gewesen war. Doch nach dem, was er jetzt von José hörte, war Motilal ein ungeselliger Mensch, der auf absolute Zurückgezogenheit Wert legte. Und wenn das stimmte, musste er als Verdächtiger in Betracht gezogen werden.
»Dann hat er Sie an der Nase herumgeführt«, behauptete José. Er lehnte sich zurück und deutete auf die anderen im Raum. »Fragen Sie ruhig, wenn Sie mir nicht glauben.«
Roger ließ seinen Blick schweifen. Die Anwesenden schienen sich wieder ihren Zeitungen und Gesprächen zu widmen. Rogers Hoffnung sank, seine Liste mit den möglichen Verdächtigen schrumpfen zu lassen, wenn er hörte, was und wie José über Motilal erzählte.
»Was ist mit seinen beruflichen Fähigkeiten?«, fragte Roger schließlich. »Ist er ein guter Anästhesist?«
»Ich denke ja«, antwortete José. »Aber eine der Narkoseschwestern kann das sicher besser bewerten als ich. Sie haben mit dem Rumtreiber schließlich direkt zu tun. Ich treffe ihn nie. Er wandert immer im Krankenhaus herum.«
»Was treibt er, wenn er herumwandert?«
»Woher soll ich das wissen? Ich weiß nur, dass ich am Ende die ganze Arbeit mache. Vor zehn Minuten zum Beispiel musste ich ihn anpiepsen, damit er seinen Arsch herschafft, weil er mit dem nächsten Fall dran war. Ich hatte schließlich schon zwei hinter mir.«
»Wo war er, als Sie ihn angepiepst haben?«
»Unten auf der Frauen- und Entbindungsstation. Zumindest hat er das gesagt, als ich ihn gefragt habe. Aber er könnte genauso gut in einer der umliegenden Kneipen gewesen sein.«
»Dann ist er gerade im OP?«
»Das wäre gut für ihn, weil unser Chef, Ronald Havermeyer, sonst über ihn was zu hören bekommt. Ich bin es satt, diesen Kerl immer zu
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