Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
schüttelte den Kopf. Er wollte nicht wieder in diese Falle tappen. Für Ärzte, die so leichten Zugang zu Medikamenten hatten, war es schwieriger, der Versuchung zu widerstehen.
Im zweiten Stock stieg Roger aus dem Fahrstuhl und drückte die Flügeltür auf, die auf die OP-Station führte. Rechts von ihm befand sich hinter einem Bogen der Aufenthaltsbereich, aus dem ein Fernseher zu hören war. In der Hoffnung, dort jemanden von den Mitarbeitern anzutreffen, trat er ein.
Der Raum war etwa zehn mal zehn Meter groß, das Fenster ging auf denselben Innenhof hinaus wie die Mitarbeiterkantine. Zwei gegenüberliegende Türen führten in die Umkleideräume. Die Einrichtung bestand aus zwei grauen Vinylsofas, zusammengewürfelten Stühlen und mehreren kleinen Tischen. Der Beistelltisch in der Mitte war mit Zeitungen und alten Zeitschriften übersät, darauf thronte eine leere Pizzaschachtel. Im Fernseher in der Ecke lief CNN, aber niemand sah hin. In einer anderen Ecke stand ein kleiner Kühlschrank mit einer Kaffeemaschine für den allgemeinen Gebrauch obendrauf.
Zehn Leute saßen hier, alle in den gleichen Unisex-Overalls. Einige trugen Mützen oder Hauben. Obwohl auf der OP-Station alle gleich aussahen, wusste Roger, dass es hier alles andere als gleichberechtigt zuging. Hier herrschte die strengste Hierarchie im Krankenhaus. Die meisten im Raum, von denen Roger keinen Einzigen kannte, lasen oder aßen etwas, die anderen unterhielten sich.
Roger ging zur Kaffeemaschine. Er überlegte, sich einen einzuschenken, aber nicht, um wach zu bleiben, sondern eher aus sozialen Gründen und um einen Vorwand zu haben, hier zu bleiben. Doch er entschied sich dagegen, öffnete den Kühlschrank und nahm sich einen Orangensaft.
Mit dem Saft in der Hand ließ er seinen Blick schweifen, um die Anwesenden genauer zu betrachten. Niemand hatte auf ihn geachtet, als er hereingekommen war, doch jetzt lächelte ihn eine Frau an. Roger ging zu ihr und stellte sich vor.
»Ich kenne Sie«, sagte die Frau. »Wir haben auf der Weihnachtsfeier miteinander geredet. Ich heiße Cindy Delgada und bin eine der Krankenschwestern. Wir bekommen hier nicht oft Besuch von der Verwaltung. Was führt Sie mitten in der Nacht hierher?«
Roger zuckte mit den Schultern. »Ich habe lange gearbeitet, und jetzt wollte ich ein bisschen umherwandern, um mal wieder mit ein paar Menschen zu reden und das Krankenhaus in Aktion zu sehen.«
Cindy lächelte bitter. »Bei dieser lahmen Truppe ist es nicht gerade aufregend. Wenn Sie Unterhaltung wollen, würde ich die Notaufnahme vorschlagen.«
Roger lachte höflich. »Keine Fälle heute Nacht?«
»Doch, doch«, antwortete Cindy. »Zwei. Einer wird gerade in Raum sechs versorgt, und ein anderer wird in einer Stunde von der Notaufnahme nach oben gebracht.«
»Kennen Sie Dr. José Cabreo?«
»Natürlich.« Cindy deutete auf einen blassen, untersetzten Mann am Fenster. »Er sitzt gleich da drüben.«
Als Dr. Cabreo seinen Namen hörte, senkte er die Zeitung und blickte zu Roger. Er hatte einen buschigen Schnurrbart, der fast den ganzen Mund bedeckte. Seine Augenbrauen lugten erwartungsvoll unter seiner OP-Haube hervor.
Roger fühlte sich verpflichtet, zu ihm hinzugehen. Er hatte nicht vorgehabt, mit den beiden Anästhesisten direkt zu reden, sondern die anderen Mitarbeiter beiläufig in ein Gespräch über die beiden zu verwickeln, um ein Gefühl für ihre Persönlichkeiten zu bekommen. Roger machte sich nichts vor. Er war kein Psychiater und würde einen Serienmörder nur erkennen, wenn dieser ihm rundheraus von seinen Taten erzählen würde. Doch vielleicht würde er genug herausfinden, um sagen zu können, ob einer der beiden als möglicher Verdächtiger in Frage käme.
»Hallo«, grüßte Roger etwas verlegen, nachdem er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Er ärgerte sich, dass er die Möglichkeit eines solchen Gesprächs nicht bedacht hatte.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte José.
»Hm«, meinte Roger, der versuchte, nicht so verwirrt zu klingen, wie er war. »Ich bin der Leiter des medizinischen Personals.«
»Ich weiß, wer Sie sind.« Josés Stimme hatte etwas Scharfes, als hätte er eine Ahnung, was Roger im Schilde führte.
»Ach ja? Wie das?« José war einer der vielen Mitarbeiter, die Roger noch nicht kannte. Dazu gehörte ungefähr die gesamte Nachtschicht.
José deutete auf Rogers Namensschild.
»Ach, natürlich«, erwiderte Roger und schlug mit der Hand gegen seine Stirn. »Das hatte
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