Montgomery & Stapleton 05 - Das Labor des Teufels
sich zu nehmen, um nicht an die Zukunft denken zu müssen. Kaum zu glauben, aber bald würde sie dreiundvierzig Jahre alt sein. Das Klischee über die tickende biologische Uhr stimmte – ihre schlug schon Alarm.
Laurie seufzte ungewollt. In ihrer Einsamkeit während der dahinkriechenden Stunden hatte sie sich Sorgen über den sozialen Sumpf gemacht, in dem sie versunken war. Soweit es ihr persönliches Leben betraf, waren die Dinge seit der Schulzeit schiefgelaufen. Jack war mit dem Status quo zufrieden, wie sie an seiner entspannten Silhouette und den Geräuschen seines glückseligen Schlafs erkannte. Sie hatte immer gedacht, ihr ginge es genauso, doch jetzt lag sie hier, war fast dreiundvierzig Jahre alt, lebte in einer schäbigen Wohnung in einem Viertel am Rand von New York und schlief mit einem Mann, der sich nicht entscheiden konnte, ob er heiraten und Kinder haben wollte oder nicht.
Wieder seufzte sie. Vorher hatte sie immer darauf geachtet, Jack nicht zu stören, doch jetzt war ihr das egal. Sie hatte entschieden, dass sie noch einmal mit ihm reden musste, auch wenn sie wusste, dass er das Thema tunlichst vermied. Aber diesmal würde sie auf einer Veränderung bestehen. Warum sollte sie sich schließlich auf ein miserables Leben in einer Wohnung einlassen, die eher zu einem armen Studentenpärchen passte als zu zwei anerkannten forensischen Pathologen? Doch ihre Beziehung basierte auf dem Prinzip, dass Gespräche über Heirat und Kinder einem einseitigen Verbot unterlagen.
Aber nicht alles war schlecht. Was die Karriere anging, hätte es nicht besser laufen können. Laurie liebte ihre Arbeit als Gerichtsmedizinerin beim Gerichtsmedizinischen Institut der Stadt New York, wo sie bereits seit dreizehn Jahren beschäftigt war, und sie war froh, mit jemandem wie Jack zusammenzuarbeiten, mit dem sie sich austauschen konnte. Beide waren begeistert von der intellektuellen Herausforderung, die ihnen die forensische Pathologie bot. Und sie hatten eine Menge Gemeinsamkeiten – beide verabscheuten sie Mittelmäßigkeit und beide fühlten sich von der politischen Notwendigkeit abgestoßen, Teil eines bürokratischen Systems zu sein. Doch so gut sie auch hinsichtlich der Arbeit zusammenpassten, Lauries lebenslangen Wunsch nach einer eigenen Familie machte dies nicht wett.
Plötzlich drehte sich Jack auf den Rücken und faltete die Hände über seinem Bauch. Laurie betrachtete sein Profil. In ihren Augen war er hübsch – kurz geschnittenes, hellbraunes, leicht angegrautes Haar, buschige Augenbrauen und markante Gesichtszüge. Selbst wenn er schlief, schien er zu lächeln. Er war gleichzeitig aggressiv und freundlich, kühn und bescheiden, herausfordernd und großzügig, und meistens verspielt und lustig. Dank seiner Schlagfertigkeit wurde es nie langweilig, auch wenn er einen pubertären Hang zum Leichtsinn hatte. Und er konnte ja so stur sein, besonders wenn es um Heirat und Kinder ging.
Laurie beugte sich zu Jack hinüber und betrachtete ihn sich aus der Nähe. Ja, tatsächlich, er lächelte, was sie auf die Palme brachte. Es war einfach ungerecht, dass er mit dem Status quo zufrieden war. Auch wenn sie ziemlich sicher war, dass sie ihn liebte, und glaubte, dass er sie liebte, trieb sie seine Unfähigkeit, eine Verpflichtung einzugehen, sprichwörtlich in den Wahnsinn. Er sagte, er habe keine Angst davor, zu heiraten oder Vater zu werden, sondern eher vor der Verletzlichkeit, die eine solche Entscheidung mit sich brachte. Zuerst hatte Laurie Verständnis dafür gehabt – Jacks erste Frau und seine beiden kleinen Töchter waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Laurie wusste, dass er sowohl den Schmerz als auch das Schuldgefühl mit sich herumtrug, da sich der Unfall ereignet hatte, nachdem ihn seine Familie besucht hatte, während er in einer anderen Stadt einen Fortbildungskurs absolvierte. Laurie wusste auch, dass er nach dem Unfall mit einer starken reaktiven Depression zu kämpfen hatte. Doch jetzt lag die Tragödie fast dreizehn Jahre zurück. Laurie hatte das Gefühl, dass sie sehr auf seine Bedürfnisse eingegangen war und viel Geduld bewiesen hatte, als ihre Beziehung schließlich ernste Formen angenommen hatte. Doch jetzt, fast vier Jahre später, hatte sie das Gefühl, dass sie ihre Grenzen erreicht hatte. Schließlich hatte auch sie Bedürfnisse.
Jacks Wecker durchbrach die Stille. Sein Arm schoss nach vorn und drückte die Schlummertaste, bevor er sich wieder unter die warme Decke
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