Montgomery & Stapleton 07 - Die Seuche Gottes
und klopfte. Die Scheiben waren getönt, deshalb konnte er nicht ins Wageninnere sehen. Doch nach einem Blick die Mole entlang war ihm klar, warum er auf sein Klopfen keine Reaktion bekommen hatte. Aus einem der Bullaugen im unteren Salon flackerte ein matter Lichtstrahl über das Wasser.
Franco trat an die Fahrertür des Lieferwagens, und Angelo ließ das Fenster herunter. »Alles okay«, meinte Franco. »Das ist der Boss. Er ist schon auf dem Boot.«
»Möchte bloß wissen, wieso«, meinte Angelo. Er war sich unsicher, ob er die bevorstehende Erfahrung wirklich mit der ganzen Stadt teilen wollte.
»Keine Ahnung.«
Sie stellten den Lieferwagen ab, holten Laurie heraus, lösten das Paketband von ihren Knöcheln und brachten sie auf die Mole hinaus. Ganz ähnlich wie heute Morgen mussten sie sie auch jetzt wieder hochheben, aber nicht, weil sie Widerstand leistete.
»Vielleicht hast du’s mit diesen Date-Rape-Pillen ein bisschen übertrieben«, sagte Franco. Laurie war dem Koma nahe und kam ihm angesichts ihrer schlanken Figur mächtig schwer vor.
»Hallo, Jungs!«, rief Vinnie ihnen zu, als sie in der Nähe des Bootes angelangt waren. Er hatte im Schatten des Achterdecks gestanden, doch jetzt kam er ihnen ein Stückchen entgegen. In seinem altmodischen Glas klimperten ein paar Eiswürfel. »Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen, dass ich vorbeigekommen bin. Ich habe plötzlich gedacht, dass ich mir den Spaß nicht entgehen lassen will. Und wie ich sehe, habt ihr den Blitzzement und die anderen Sachen schon besorgt.«
»Haben wir schon gestern gemacht«, meinte Angelo, »und heute Vormittag an Bord geschafft.«
»Gute Arbeit«, meinte Vinnie ruhig. »Ich habe noch jemanden mitgebracht.« Er deutete hinter sich in den Schatten. Zögerlich und mit unsicherem Lächeln kam Michael Calabrese auf sie zu. »Ich habe nachgedacht«, erläuterte Vinnie und legte Michael einen Arm um die Schulter. »Unser Mikey hier legt sich für euch immer genauso ins Zeug wie für mich, aber nie macht er sich dabei die Hände schmutzig. Versteht ihr, was ich damit sagen will? Vom geschäftlichen Standpunkt aus betrachtet, wäre es sehr weise und klug, ihn mit dabeizuhaben. Falls es jemals zum Äußersten kommen sollte, dann könnte er seine Hände nicht in Unschuld waschen und behaupten, er hätte gar nicht gewusst, wieso all diese sympathischen Menschen so plötzlich von der Bildfläche verschwunden sind.
Angelo, ich weiß, das Ganze hier ist in erster Linie deine Angelegenheit, aber ich war mir sicher, dass du nichts dagegen hast, wenn wir auch daran teilnehmen. Oder ist das zu viel verlangt?«
Schweigend bugsierte Angelo, unterstützt von Franco, Laurie über die Gangway auf die Jacht.
»Ich habe keine Antwort gehört«, sagte Vinnie.
»Ist schon okay«, murmelte Angelo, während er und Franco Laurie über das offene Achterdeck schoben.
»Da siehst du’s, Mikey!«, sagte Vinnie und versetzte Michael einen Klaps auf den Rücken. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Angelo ist froh, dass du mit von der Partie bist, also lassen wir die Party steigen.«
Während Franco und Angelo im Bauch des Schiffes die in Tiefschlaf versunkene Laurie in einer der Kabinen ablegten, nahmen Freddie und Richie sich der Festmachleinen an. Vinnie kletterte fröhlich auf die Brücke und startete die beiden Dieselmotoren, das Glas mit Scotch immer in seiner Nähe. Dann ließ er das Boot aus der Liegebucht gleiten. Während sie in die Mitte des Flusses tuckerten, rief Vinnie nach unten, dass jemand eine seiner Frank-Sinatra-CDs auflegen solle. Ein paar Minuten später erklang die einschmeichelnde Stimme von Hobokens berühmtestem Sohn und legte sich wie Balsam auf die Seelen der Anwesenden.
Es war ein schöner Abend. Der Wind wehte nur schwach, und das Wasser war ruhig. Ein sichelförmiger Mond schwebte knapp über der gezackten, glitzernden Skyline der Stadt. Im Norden waren die Lichter der George Washington Bridge mit der bescheiden im Schatten unterhalb der ursprünglichen Brücke verlaufenden, nachträglich eingebauten zweiten Fahrbahnebene, dem sogenannten »Martha Washington Level«, zu sehen. In südlicher Richtung und nicht allzu weit entfernt lag ihr ungefähres Ziel: die hell erleuchtete Freiheitsstatue. Es dauerte nur zehn Minuten, dann hatten die sanfte Brise und das laute, aber einlullende Dröhnen der Motoren alle Sorgen, Ängste und Bedenken weggeblasen. Alle waren entweder auf der Brücke oder saßen auf der Heckreling, abgesehen
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