Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
allerletzter Minute. Ein paar Sekunden später hatte er sein Fahrrad abgestellt und abgeschlossen und war auf dem Weg in das Büro von Janice Jaeger, der pathologischen Ermittlerin, die immer nur nachts arbeitete. Er war ziemlich aufgedreht. Nachdem eigentlich so gut wie kein Zweifel mehr daran bestand, daß es sich bei der Wasserleiche um Carlo Franconi handelte, hatte er fast kein Auge zugetan. Er hatte während der Nacht unzählige Male mit Janice telefoniert und sie schließlich dazu gebracht, ins Manhattan General Hospital zu fahren und ihm die Kopien sämtlicher von Franconi existierender Krankenberichte zu besorgen. Wie sie bereits bei ihren vorhergehenden Ermittlungen herausgefunden hatte, war Franconi mehrmals im Manhattan General behandelt worden.
Des weiteren hatte er Janice gebeten, ihm von Bart Arnolds Schreibtisch die Telefonnummern sämtlicher europäischer, für die Zuteilung menschlicher Transplantationsorgane zuständigen Institutionen zu besorgen. Den sechsstündigen Zeitunterschied beachtend hatte er um kurz nach drei damit begonnen, die verschiedenen Institute abzutelefonieren. Am meisten interessierte er sich für eine Institution mit dem Namen Euro Transplant, die ihren Sitz in den Niederlanden hatte, doch dort hatte man einen Carlo Franconi nicht als Empfänger einer Leber registriert. Daraufhin hatte er sämtliche nationalen Institutionen angerufen, von denen er die Telefonnummern hatte; unter anderem hatte er nach Frankreich, England, Italien, Schweden, Ungarn und Spanien telefoniert, doch nirgends hatte man je von einem Carlo Franconi gehört. Außerdem hatten die Mitarbeiter der diversen Institutionen ihm mitgeteilt, daß Ausländer sowieso nur äußerst selten in den Genuß einer Organtransplantation kämen, da in fast allen Ländern lange Wartelisten eigener, auf ein Organ wartender Staatsbürger existierten.
Von seiner Neugier getrieben, war er bereits nach wenigen Stunden Schlaf wieder aufgewacht. Da er sowieso nicht wieder einschlafen konnte, hatte er beschlossen, noch früher als sonst zur Leichenhalle zu radeln und sich anzusehen, was Janice über Nacht zusammengetragen hatte.
»Sie sind ja vielleicht eifrig«, begrüßte ihn Janice, als er ihr Büro betrat.
»Dies ist ja auch ein Fall, der einen als Gerichtsmediziner mal so richtig herausfordert«, entgegnete er. »Wie ist es denn im Manhattan General gelaufen?«
»Ich habe jede Menge Material für Sie«, sagte Janice. »Mr. Franconi war während der letzten Jahre ziemlich oft im Krankenhaus, meistens wegen Hepatitis und Leberzirrhose.«
»Aha, jetzt wird’s interessant«, bemerkte Jack. »Wann ist er denn zum letzten Mal eingeliefert worden?«
»Vor etwa zwei Monaten«, erwiderte Janice. »Aber es ist keine Transplantation bei ihm vorgenommen worden. Zwar ist in seiner Akte die Rede davon, doch falls man ihm wirklich eine Leber transplantiert hat, dann jedenfalls nicht im MGH.« Sie überreichte Jack eine dicke Aktenmappe. »Verdammt viel Lesestoff«, stellte er fest und klemmte sich die Mappe mit einem Grinsen unter den Arm. »Ich glaube, einiges wiederholt sich immer wieder«, entgegnete Janice.
»Und wie sieht es mit einem Hausarzt aus?« fragte Jack. »Hatte er einen festen Arzt, oder hat er ständig gewechselt?«
»Meistens ist er immer zu demselben Arzt gegangen«, erwiderte Janice. »Er heißt Dr. Daniel Levitz und hat seine Praxis auf der Fifth Avenue zwischen der 64th und der 65th Street. Die Hausnummer steht auf dem Deckel der Aktenmappe.«
»Sie arbeiten sehr effizient«, lobte Jack seine Mitarbeiterin. »Ich versuche mein Bestes«, entgegnete Janice. »Haben Sie bei einer der europäischen Transplantationsinstitutionen etwas herausgefunden?«
»Absolut gar nichts«, erwiderte Jack. »Richten Sie Bart bitte aus, daß er mich unbedingt anrufen soll, sobald er reinkommt. Wir müssen auch in den USA noch einmal bei sämtlichen Transplantationszentren unser Glück versuchen, immerhin können wir ja jetzt nach einem konkreten Namen fragen.«
»Falls Bart noch nicht dasein sollte, wenn ich Feierabend mache, lege ich ihm einen Zettel hin«, versprach Janice. Auf seinem Weg zum ID-Raum durchquerte Jack pfeifend die Telefonzentrale. Er mußte nur an die erste Tasse Kaffee des Tages denken, die er gleich zu sich nahm, um in Hochstimmung zu geraten und das herrliche Aroma bereits in der Nase zu spüren. Doch als er den Raum betrat, mußte er feststellen, daß er zu früh war. Vinnie Amendola war gerade dabei, das
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