Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Laurie. »Dann würde ich doch eher auf dich tippen.«
»Wieso auf mich?« fragte Jack ein wenig beleidigt. »Ich denke da nur an die Pestfälle im letzten Jahr«, erwiderte Laurie.
»Das war doch eine vollkommen andere Situation«, ereiferte sich Jack. »Damals ging es darum, Menschenleben zu retten.«
»Reg dich doch nicht gleich so auf«, entgegnete Laurie und wechselte das Thema. »Was haben wir denn heute für Fälle?«
»Ich habe sie mir noch nicht angesehen«, gestand Jack. »Aber der Aktenstapel ist ziemlich klein, deshalb habe ich eine Bitte: Wenn es sich irgendwie einrichten läßt, hätte ich heute gerne einen Schreibtisch- oder Recherchetag.« Laurie beugte sich über den Aktenstapel und zählte die Fälle durch.
»Nur zehn«, sagte sie dann. »Kein Problem. Ich glaube, ich selber werde mir heute nur einen Fall vornehmen. Da der Franconi-Leichnam jetzt wieder da ist, interessiert mich brennender denn je, wie die Leiche überhaupt aus dem Institut verschwinden konnte. Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, daß auf die eine oder andere Weise ein Mitarbeiter aus unserem Haus in die Sache involviert gewesen sein muß.« Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als es hinter ihnen platschte und Vinnie aufsprang und lauthals losfluchte. Jack und Laurie wandten sich zu ihm um. Er hatte seinen Kaffee über den ganzen Tisch verschüttet und sogar seine Hose bekleckert. »Vor Vinnie mußt du dich heute in acht nehmen«, sagte Jack. »Er hat mal wieder schlechte Laune.«
»Alles in Ordnung, Vinnie?« rief Laurie ihm zu. »Ja, ist schon gut«, knurrte Vinnie und stakste auf die Kaffeemaschine zu, um sich ein paar Papiertücher zu holen. »Eins verstehe ich nicht ganz«, sagte Jack zu Laurie. »Warum interessiert dich nach der Rückkehr von Franconi nach wie vor, wie die Leiche verschwunden ist?«
»Vor allem wegen der Ergebnisse, die du bei der Autopsie zutage gebracht hast«, erwiderte Laurie. »Zuerst dachte ich, daß vielleicht irgendjemand die Leiche aus reiner Boshaftigkeit gestohlen hat. Eventuell wollte ihm der Mörder eine ordentliche Beerdigung vorenthalten oder etwas in dieser Richtung. Aber so wie die Dinge jetzt liegen, hat man den Leichnam offensichtlich nur entführt, um die Leber des Toten zu zerstören. Das finde ich höchst seltsam. Während mich am Anfang einfach nur gereizt hat, herauszufinden, wie die Leiche entführt wurde, glaube ich inzwischen, daß wir auch dem Mörder dicht auf der Spur sind, wenn wir das Rätsel um das Verschwinden der Leiche lösen.«
»Langsam verstehe ich, was Lou damit meint, er komme sich neben dir immer so blöd vor, wenn es darum geht, komplexe Zusammenhänge zu erkennen«, bemerkte Jack. »Ich dachte bisher, es gehe vor allem darum, herauszufinden, warum Franconis Leiche entführt wurde. Allmählich leuchtet mir aber ein, daß auch das ›Wie‹ eine Rolle spielt, womöglich gibt es da tatsächlich einen Zusammenhang.«
»Genau«, stimmte Laurie ihm zu. »Das ›Wie‹ führt uns zum ›Wer‹ und das ›Wer‹ zum ›Warum‹.«
»Und du glaubst wirklich, einer von unseren Kollegen hat etwas mit der Geschichte zu tun?« fragte Jack. »Ich fürchte, ja«, erwiderte Laurie. »Ohne Mithilfe aus dem Hause ist es kaum denkbar, so eine Geschichte zu schaukeln. Allerdings habe ich keinen blassen Schimmer, wo wir zu suchen anfangen sollen.«
Nachdem Raymond bei Siegfried angerufen hatte, hatten die Schlaftabletten, die er genommen hatte, endlich Wirkung gezeigt, und er hatte die verbleibenden Stunden der Nacht tief und fest geschlafen.
Als er wieder zu sich kam, stand Darlene im Zimmer und öffnete die Vorhänge, um das Tageslicht hereinzulassen. Es war kurz vor acht, genau die Zeit, zu der er geweckt werden wollte.
»Geht’s dir heute besser?« fragte Darlene und bat ihn, sich ein wenig aufzurichten, damit sie das Kissen aufschütteln konnte. »Ja«, erwiderte Raymond, obwohl er sich von den Schlaftabletten noch ein wenig benommen fühlte.
»Ich habe dir heute dein Lieblingsfrühstück zubereitet«, flötete Darlene und ging zur Spiegelkommode, auf der sie zuvor ein Korbtablett abgestellt hatte. Sie brachte Raymond das Tablett ans Bett und plazierte es auf seinen Schoß. Raymond ließ seinen Blick über das Tablett schweifen. Vor ihm präsentierten sich ein frisch gepreßter Orangensaft, eine dampfende Tasse Kaffee sowie ein Teller mit Toast, zwei Streifen Frühstücksschinken und ein aus einem Ei zubereitetes Omelett. Daneben lag die
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