Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Wasser in die Maschine zu füllen.
»Beeil dich mal ein bißchen«, trieb Jack ihn an und knallte die schwere Aktenmappe auf den Metallschreibtisch, an dem Vinnie sonst seine Zeitung las. »Wir müssen uns heute morgen um einen eiligen Notfall kümmern.«
Da Vinnie keine Antwort gab und das nicht zu ihm paßte, hakte Jack nach. »Hast du etwa immer noch schlechte Laune?« Vinnie schwieg zwar hartnäckig weiter, doch Jack war in Gedanken längst woanders, denn ihm war die Schlagzeile von Vinnies Zeitung ins Auge gesprungen: FRANCONI-LEICHNAM GEFUNDEN. Die in etwas kleineren Buchstaben gedruckte Unterzeile lautete: »Toter Franconi fault 24 Stunden im Gerichtsmedizinischen Institut vor sich hin, bevor Leiche identifiziert wird.«
Jack setzte sich und überflog den Artikel, der wie immer kein gutes Haar an den städtischen Gerichtsmedizinern ließ. Wenn man dem Artikel glaubte, waren sie allesamt Stümper. Während der Journalist erstaunlich viele Informationen über das Drama um den toten Franconi zusammengetragen hatte, schien er nicht gewußt zu haben, daß man der Leiche Kopf und Hände abgetrennt hatte, um ihre Identifizierung zu erschweren. Auch die Schrotverletzungen im oberen rechten Bauchbereich wurden mit keinem Wort erwähnt. Nachdem Vinnie die Kaffeemaschine angeworfen hatte, ging er zu Jack und baute sich vor ihm auf. Ungeduldig verlagerte er sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Als Jack schließlich aufsah, fuhr Vinnie ihn gereizt an: »Ich würde gerne mal einen Blick in meine Zeitung werfen - wenn du nichts dagegen hast!«
»Hast du diesen Artikel gelesen?« fragte Jack und tippte auf die Titelseite.
»Hmm«, grummelte Vinnie.
Jack widerstand der Versuchung, Vinnie zu ermahnen, richtig mit ihm zu reden. »Bist du nicht überrascht? Oder hast du etwa gestern bei unserer Obduktion schon geahnt, daß wir da womöglich den vermißten Franconi vor uns auf dem Tisch haben?«
»Nein«, entgegnete Vinnie. »Warum sollte ich?«
»Ich behaupte ja nicht, daß du etwas geahnt hast«, versuchte Jack ihn zu besänftigen. »Ich frage doch nur.«
»Nein«, wiederholte Vinnie. »Und jetzt gib mir endlich meine Zeitung! Warum kaufst du dir nicht endlich mal eine eigene? Dann mußt du nicht immer meine lesen.« Jack stand auf, schob Vinnie die Zeitung hin und nahm seine Aktenmappe vom Tisch. »Irgendwie habe ich das Gefühl, als wärst du in der letzten Zeit nicht so ganz auf der Höhe. Vielleicht solltest du mal Urlaub machen. Du bist auf dem besten Weg, ein brummiger, alter Kauz zu werden.«
»Zumindest bin ich nicht so ein Knauser wie du«, entgegnete Vinnie und sortierte die Zeitungsseiten, die Jack herausgenommen hatte, wieder in der richtigen Reihenfolge ein. Jack ging zur Kaffeemaschine und schenkte sich seine Tasse so voll, daß sie fast überschwappte. Dann nahm er sie mit an den Planungstisch. Während er genüßlich seinen Kaffee nippte, blätterte er die unzähligen Krankenhausberichte über Franconi durch. Da er sich bei der ersten Sichtung des Materials nur einen groben Überblick verschaffen wollte, studierte er zunächst die Zusammenfassungen der jeweiligen Entlassungsberichte. Wie Janice ihm ja bereits mitgeteilt hatte, war Franconi meistens wegen seiner Leberprobleme eingeliefert worden; zum ersten Mal waren sie im italienischen Neapel aufgetreten, wo er sich eine Hepatitis zugezogen hatte. Während er in seine Lektüre vertieft war, erschien Laurie. Noch bevor sie sich ihren Mantel ausgezogen hatte, fragte sie Jack, ob er schon die Zeitung gelesen und die Morgennachrichten gehört habe. Jack erwiderte, er habe einen Blick auf die Post geworfen.
»Bist du dafür verantwortlich?« wollte Laurie wissen, während sie ihren Mantel über eine Stuhllehne hängte.
»Wovon sprichst du?«
»Von der undichten Stelle«, erwiderte Laurie. »Irgendjemand muß der Presse gesteckt haben, daß wir die Wasserleiche als Franconi identifiziert haben.«
Jack lachte kurz auf. Er war fassungslos. »Daß du ausgerechnet mich in Verdacht hast, haut mich wirklich um. Warum sollte ich mich wohl an die Presse wenden?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Laurie. »Vielleicht weil du gestern nacht so aus dem Häuschen warst. Aber nichts für ungut! Ich war nur überrascht, unsere neuen Erkenntnisse so schnell in den Nachrichten wiederzufinden.«
»Dann waren wir wohl beide gleichermaßen überrascht«, stellte Jack fest. »Vielleicht steckt Lou dahinter.«
»Das kann ich mir noch weniger vorstellen«, entgegnete
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