Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
und allein auf der völlig unwahrscheinlichen Eventualität, daß womöglich jemand mit einem IQ in der Größenordnung von Einstein auf die Quelle unserer Transplantationsorgane stoßen könnte. Aber dieser Fall wird nie eintreten. Jedenfalls war es klug von Ihnen, mich über den Besuch von Dr. Stapleton zu informieren. Wie es der Zufall will, bin ich nämlich gerade auf dem Sprung zu Vinnie Dominick. Dem wird schon etwas einfallen, wie wir auch dieser Sache Herr werden können. Immerhin ist er ja der Hauptverantwortliche für diesen neuen Schlamassel.« Raymond beendete das Gespräch so schnell wie möglich. Auch wenn er die ganze Zeit beruhigend auf Dr. Levitz eingeredet hatte, hatte seine eigene Panik nicht im geringsten nachgelassen. Nachdem er Darlene instruiert hatte, was sie dem Chef von GenSys im unwahrscheinlichen Fall eines erneuten Anrufs von Taylor Cabot ausrichten solle, verließ er die Wohnung. An der Ecke Madison und 64th Street winkte er ein Taxi heran und erklärte dem Fahrer den Weg zur Corona Avenue in Elmhurst.
Die Szene in dem neapolitanischen Restaurant war exakt die gleiche wie am Vortag, nur daß inzwischen der abgestandene Muff von ein paar hundert weiteren Zigaretten hinzugekommen war. Vinnie Dominick saß wieder in seiner Nische, seine Kumpanen lümmelten sich wieder auf Barhockern vor der Theke herum. Der fettleibige Mann mit dem Vollbart spülte emsig Gläser, als ob er seine Arbeit nie unterbrochen hätte. Raymond schob den im Eingang hängenden, schweren roten Samtvorhang zur Seite, ging schnurstracks auf Vinnies Nische zu und nahm Platz, ohne auf eine Einladung zu warten. Dann legte er die zerknüllte Zeitung auf den Tisch, die er vorher sorgfältig zu glätten versucht hatte.
Vinnie warf einen Blick auf die Schlagzeile. Er gab sich wie immer betont lässig.
»Wie Sie sehen, haben wir ein Problem«, begann Raymond. »Sie hatten versprochen, die Leiche zu beseitigen. Aber Sie haben die Sache offenbar gehörig vermasselt.« Vinnie nahm seine Zigarette aus dem Aschenbecher, zog daran und blies den Rauch gegen die Decke.
»Lieber Doc«, entgegnete er dann nach einer langen Pause. »Sie erstaunen mich immer wieder. Entweder sind Sie mit den Nerven völlig am Ende, oder Sie sind wahnsinnig. So respektlos dürfen mir nicht einmal meine getreuesten Lieutenants gegenübertreten. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie formulieren Ihre Worte noch einmal um, oder Sie stehen sofort auf und verpissen sich, bevor ich wirklich wütend werde.«
Raymond schluckte und rückte seinen Kragen zurecht. Als er sich in Erinnerung rief, wem er da eigentlich gegenübersaß, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Ihm wurde regelrecht schwummerig. Ein kurzes Nicken von Vinnie Dominick würde schon reichen, und er triebe ohne Verzögerung mausetot im East River.
»Tut mir leid«, stammelte Raymond unterwürfig. »Ich glaube, ich kann im Moment nicht klar denken, so sehr habe ich mich aufgeregt. Erst mußte ich heute morgen diese Schlagzeile lesen, und dann hat mich auch noch der Geschäftsführer von GenSys angerufen und damit gedroht, das ganze Projekt zu stoppen. Als ob das nicht genug wäre, hat sich zu allem Überfluß auch noch Franconis Arzt bei mir gemeldet und mir erzählt, daß bei ihm bereits ein Gerichtsmediziner aufgetaucht ist. Ein gewisser Jack Stapleton ist einfach so in seine Praxis hereingeschneit und wollte die Krankenakte von Franconi sehen.«
»Angelo!« rief Vinnie in den Raum. »Komm mal her!« Angelo schlenderte gemächlich auf die Nische zu. Vinnie fragte ihn, ob er einen Dr. Jack Stapleton kenne, der in der Leichenhalle arbeite. Angelo schüttelte den Kopf. »Gesehen habe ich ihn noch nie«, erklärte er. »Aber Vinnie Amendola hat den Namen erwähnt, als er heute morgen angerufen hat. Er hat gesagt, dieser Jack Stapleton sei total aus dem Häuschen und wolle den Fall Franconi unter allen Umständen klären. Franconi ist nämlich sein Fall.«
»Wie Sie sehen, habe ich auch ein paar Anrufe bekommen«, sagte Vinnie. »Als erstes hatte ich Vinnie Amendola an der Strippe. Er sitzt immer noch auf heißen Kohlen, weil wir den toten Franconi mit seiner Unterstützung aus der Leichenhalle geschafft haben. Später hat mich dann auch noch der Bruder meiner Frau angerufen, der ja der Boß des Beerdigungsinstituts ist, das die Leiche abtransportiert hat. Er hat sich beklagt, daß eine Dr. Laune Montgomery bei ihnen aufgekreuzt ist und einen Toten habe sehen wollen, den es gar
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