Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
sie. »Montrachtet! Wir werden ja ganz schön verwöhnt heute abend.«
Kevin hatte keine Ahnung, was er aus seiner Weinsammlung hervorgezaubert hatte, doch er freute sich, daß Melanie offensichtlich von seiner Wahl beeindruckt war. Während Esmeralda den ersten Gang servierte, schenkte er die Gläser voll. Das Abendessen erwies sich als ein uneingeschränkter Erfolg. Sogar Kevin begann sich allmählich zu entspannen. Er mußte sich anstrengen, mit dem Weinkonsum der Frauen mitzuhalten. Sie waren noch bei der Vorspeise, als er bereits zurück in die Küche gehen und eine weitere Flasche öffnen mußte. »Du wirst nie erraten, wer noch in der Chickee Bar war«, sagte Melanie, als Esmeralda die Vorspeisenteller abräumte. »Unser furchtloser Boß Siegfried Spallek.«
Kevin verschluckte sich an seinem Wein und mußte sich das Gesicht mit seiner Serviette abtupfen. »Ihr habt ja hoffentlich nicht mit ihm geredet, oder?«
»Das ließ sich kaum vermeiden«, erwiderte Melanie. »Er hat uns auf seine liebenswürdigste Art gefragt, ob er sich zu uns gesellen darf. Er hat sogar eine Runde ausgegeben. Und nicht etwa nur für uns - die Männer von der Werkstatt hat er auch eingeladen.«
»Eigentlich war er recht charmant«, bemerkte Candace. Kevin spürte, wie ihm ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Die zweite Tortur, die er an diesem Nachmittag hatte über sich ergehen lassen müssen und die ihn nervlich beinahe genauso fertiggemacht hatte wie die erste, war ein Besuch bei Siegfried Spallek gewesen. Kaum waren sie den äquatorialguinesischen Soldaten entkommen, da hatte Melanie darauf bestanden, im Büro des Zonenmanagers aufzumarschieren. Sie hatte sich durch nichts davon abbringen lassen. »Eine derartige Behandlung lasse ich mir nicht gefallen«, hatte Melanie gewütet, während sie die Treppen zu Spalleks Büro hinaufgestiegen waren. Sie hatte Aurielo keines Blickes gewürdigt und war schnurstracks in das Chefzimmer gestürmt, wo sie Siegfried dazu aufgefordert hatte, persönlich dafür Sorge zu tragen, daß ihr Auto unverzüglich repariert werde. Candace hatte Melanie in Spalleks Zimmer begleitet; Kevin hatte die Szene aus Aurielos Vorzimmer beobachtet.
»Ich habe gestern nacht meine Sonnenbrille da draußen verloren«, hatte Melanie gesagt. »Und dann fahren wir drei noch einmal raus, um sie zu suchen - und was passiert? Man nimmt uns unter Beschuß!«
Kevin hatte erwartet, daß Siegfried explodieren würde. Doch er hatte sich getäuscht. Anstatt in die Luft zu gehen, hatte Siegfried sich sofort entschuldigt und den beiden erklärt, daß die Soldaten nur da draußen seien, um unbefugte Personen von der Insel fernzuhalten und daß sie auf keinen Fall hätten schießen dürfen. Dann hatte er Melanie nicht nur versprochen, ihr Auto reparieren zu lassen, er hatte ihr sogar angeboten, ihr für die Übergangszeit einen Leihwagen zur Verfügung zu stellen. Zu guter Letzt hatte er sich großzügig erboten, seine Soldaten die Gegend nach der verlorenen Sonnenbrille absuchen zu lassen.
Esmeralda erschien mit dem Nachtisch. Melanie und Candace freuten sich, denn Esmeralda hatte ihn mit Kakao aus der Region um Cogo zubereitet.
»Hat Siegfried noch irgend etwas zu den heutigen Ereignissen gesagt?« fragte Kevin.
»Er hat sich erneut entschuldigt«, erwiderte Candace. »Er hat gesagt, er habe mit den marokkanischen Söldnern gesprochen, und hat uns versichert, daß es keine weiteren Schießereien geben werde. Wenn sich demnächst jemand in der Nähe der Brücke blicken lasse, werde er lediglich darauf hingewiesen, daß er die Region um die Insel nicht betreten dürfe.«
»Wer’s glaubt, wird selig«, bemerkte Kevin. »So schießwütig wie diese Kinder sind, die hier Soldaten genannt werden, kann man wohl kaum davon ausgehen.« Melanie lachte. »Apropos Soldaten - da fällt mir noch etwas ein. Wie Siegfried uns erzählt hat, haben sie stundenlang nach meiner nicht existierenden Sonnenbrille gesucht. Geschieht ihnen recht!«
»Außerdem hat er uns gefragt, ob wir mit den Arbeitern sprechen wollen, die auf der Insel altes Gestrüpp verbrannt haben«, fügte Candace hinzu. »Ist das nicht unglaublich?«
»Und was habt ihr darauf geantwortet?« wollte Kevin wissen. »Wir haben ihm gesagt, das sei nicht nötig«, erwiderte Candace. »Wir wollen ja nicht, daß er denkt, wir würden uns immer noch Sorgen wegen des Rauchs machen. Schließlich soll er auf keinen Fall Lunte riechen, daß wir der Insel nach wie vor unter
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