Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
registrieren diese abschließend in unseren eigenen Unterlagen. Es wäre zu peinlich, wenn die Fahrer mit der falschen Leiche in ihrem Bestattungsinstitut ankämen.«
»Klingt so, als wäre das System ziemlich sicher«, sagte Laurie überzeugt. Bei so vielen Kontrollen dürfte es nicht gerade einfach sein, eine Leiche verschwinden zu lassen. »Jedenfalls funktioniert dieses System seit Jahrzehnten einwandfrei«, stellte Marvin klar. »Es hat noch nie eine Panne gegeben. Mit dem Computer ist natürlich alles viel leichter geworden. Früher mußte man alles mühsam per Hand in ein Dienstbuch eintragen.«
»Danke, Marvin«, sagte Laurie. »Keine Ursache, Doc«, entgegnete Marvin. Laurie verließ das Büro der Leichenhalle und legte auf dem Weg zu ihrem Büro noch einen kurzen Zwischenstopp in der ersten Etage ein, wo sie sich in der Kantine an einem der Verkaufsautomaten einen Snack zog. Einigermaßen gestärkt fuhr sie hinauf in den vierten Stock. Als sie sah, daß die Tür zu Jacks Büro offenstand, blieb sie stehen und lugte hinein. Jack saß über sein Mikroskop gebeugt.
»Hast du da was Interessantes?« fragte sie. Jack sah auf und lächelte. »Etwas sehr Interessantes sogar«, sagte er. »Willst du es dir mal ansehen?« Er rollte mit seinem Stuhl ein Stück zur Seite und ließ Laurie einen Blick durch die Okulare werfen.
»Sieht aus wie ein winziges Granulom in einer Leber«, sagte sie.
»Stimmt«, entgegnete Jack. »Was du da siehst, ist ein winziger Rest von Franconis Leber. Viel ist ja nicht übriggeblieben.«
»Hmm«, murmelte Laurie, ohne von dem Mikroskop aufzusehen. »Irgendwie merkwürdig, daß sie Franconi offensichtlich eine infizierte Leber transplantiert haben. Eigentlich würde man doch annehmen, daß der Spender etwas gründlicher unter die Lupe genommen worden wäre. Hast du noch mehr von diesen kleinen Granulomen entdeckt?«
»Maureen hatte erst einen Objektträger mit Lebergewebe präpariert«, erwiderte Jack. »Außer diesem hier habe ich in dem Schnitt kein weiteres Granulom gefunden. Deshalb glaube ich nicht, daß es viele sind. Allerdings habe ich auf dem Gefrierschnitt auch eins entdeckt. Außerdem läßt sich auf dem Gefrierschnitt erkennen, daß die ganze Oberfläche der Leber mit winzigen zurückgegangenen Zysten übersät war, die man sogar mit bloßem Auge hätte erkennen können. Das Transplantationsteam muß sie gesehen und sich nicht darum geschert haben.«
»Wenigstens ist nicht die ganze Leber entzündet«, bemerkte Laurie. »Der Mann hat die Spenderleber ja offenbar gut angenommen.«
»Sehr gut sogar«, entgegnete Jack. »Eigentlich sogar viel zu gut. Aber das ist schon wieder ein anderes Thema. Was glaubst du, was wir hier unter der Linse haben?« Laurie drehte ein wenig an der Schärfeneinstellung und betrachtete die unterschiedlichen Ausschnitte der Gewebeprobe. Sie konnte ein paar seltsame Flecken aus basophilem Material erkennen. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht einmal, ob wir es nicht mit einem Artefakt zu tun haben.«
»Ich weiß es auch nicht«, gestand Jack. »Es sei denn, es ist das, was das Granulom hervorgerufen hat.«
»Wäre durchaus eine Überlegung wert«, entgegnete Laurie und richtete sich auf. »Was meinst du damit, daß der Mann die Leber viel zu gut angenommen hat?«
»Wie das Labor herausgefunden hat, hat Franconi offenbar keinerlei Immunsuppressiva genommen«, erklärte Jack. »Da die Leber nicht entzündet ist, erscheint mir das in höchstem Maße unwahrscheinlich.«
»Können wir denn ganz sicher sein, daß wir es auch wirklich mit einem Transplantat zu tun haben?« fragte Laurie.
»Absolut sicher«, erwiderte Jack und faßte zusammen, was er gerade von Ted Lynch erfahren hatte.
Laurie war genauso verblüfft wie Jack. »Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie die DQ-alpha-Sequenzen bei zwei Personen absolut identisch sein sollen«, sagte sie. »Es sei denn, es handelt sich um eineiige Zwillinge.«
»Klingt so, als wüßtest du über dieses Thema mehr als ich«, entgegnete Jack. »Ich habe den Begriff DQ-alpha nämlich vor ein paar Tagen zum ersten Mal gehört.«
»Weißt du inzwischen, wo man Franconi die Leber transplantiert hat?« fragte Laurie.
»Schön wär’s«, erwiderte Jack und berichtete ihr von Barts vergeblichen Bemühungen. Er erzählte ihr auch, daß er selbst während der vergangenen Nacht stundenlang am Telefon gehangen und Transplantationszentren in ganz Europa angerufen hatte.
»Ach du liebe Güte«, bemerkte Laurie.
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