Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
einen Fall abschließen.«
»Dann habe ich ganz schön Glück, daß ich von Ihrem großen Kontaktnetz profitieren kann«, stellte Jack fest. »Soll ich für Sie meinen Freund bei der FAA anrufen?« bot Lou an.
»Wäre wirklich prima, wenn Sie das tun könnten«, erwiderte Jack.
»Mach’ ich gerne«, sagte Lou. »Es bringt mich doch selbst voran, wenn ich Ihnen helfe. Schließlich liegt es auch mir am Herzen, daß dieser Fall endlich gelöst wird. Vielleicht rette ich damit sogar meinen Job.«
»Ich muß gerade mal zum University Hospital rüberlaufen«, erklärte Jack. »Wie war’s, wenn ich Sie in etwa einer halben Stunde zurückrufe?«
»In Ordnung«, erwiderte Lou und legte den Hörer auf. Jack schüttelte den Kopf. Wie alles andere in diesem Fall waren auch diese neuen Informationen überraschend und verwirrend zugleich. Daß Franconi ausgerechnet nach Frankreich gereist war, hatte er am allerwenigsten erwartet. Er zog sich zum zweiten Mal seine Jacke an und verließ sein Büro. Da das University Hospital ganz in der Nähe war, ließ er sein Fahrrad stehen und ging zu Fuß. Er brauchte nur zehn Minuten.
Er betrat das Universitätskrankenhaus, in dem reger Betrieb herrschte, und fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf in die pathologische Abteilung. Er hoffte, dort Dr. Malovar anzutreffen. Peter Malovar war auf seinem Fachgebiet unschlagbar und trotz seiner zweiundachtzig Jahre einer der scharfsinnigsten Pathologen, die Jack je kennengelernt hatte. Jack versuchte, möglichst keines der Seminare auszulassen, die Dr. Malovar einmal im Monat anbot. Wenn Jack eine schwierige pathologische Frage hatte, ging er damit nicht zu Bingham, sondern wandte sich an den alten Mann im Universitätskrankenhaus. Während Binghams Stärke eher auf dem Gebiet der forensischen Pathologie lag, war Dr. Malovar ein ausgewiesener Experte für allgemeine Pathologie.
»Der Professor ist wie immer in seinem Labor«, teilte ihm die überarbeitete Sekretärin der pathologischen Abteilung mit. »Finden Sie den Weg allein?«
Jack nickte und steuerte eine alte Milchglastür an, die zu »Malovars Höhle« führte, wie das Labor des alten Pathologen allgemein genannt wurde. Jack klopfte an. Als niemand antwortete, drückte er die Klinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen. Drinnen saß Dr. Malovar über sein geliebtes Mikroskop gebeugt. Der alte Mann sah ein bißchen wie Einstein aus; er hatte wildes graues Haar und einen buschigen Schnurrbart. Aufgrund seiner krummen Körperhaltung konnte man fast annehmen, er sei von Geburt an dazu bestimmt, sich über ein Mikroskop zu beugen und durch die Okulare zu sehen. Von seinen fünf Sinnen hatte nur das Hörvermögen im Laufe der Jahre gelitten.
Der Professor begrüßte Jack flüchtig und fixierte mit gierigen Augen den Objektträger in seiner Hand. Er liebte es, wenn andere Pathologen ihm ihre problematischen Fälle zur Begutachtung vorbeibrachten. Jack hatte schon so manches Mal von der Leidenschaft des alten Mannes profitiert. Er reichte dem Professor den Objektträger und wollte gerade dazu anheben, den Hintergrund des Falles zusammenzufassen, als Dr. Malovar die Hand hob, um ihn zum Schweigen zu bringen. Dr. Malovar war ein richtiger Detektiv, und er wollte sich lieber einen eigenen Eindruck machen, statt sich von anderen Meinungen beeinflussen zu lassen. Der alte Mann tauschte Jacks Objektträger gegen den aus, den er gerade unter dem Mikroskop gehabt hatte, und starrte ohne ein weiteres Wort eine Minute lang aufmerksam durch die Okulare. Dann hob er den Kopf, gab einen Tropfen Öl auf den Objektträger und brachte die Öl-Immersionslinse in Position, um den Ausschnitt nochmals zu vergrößern. Diesmal musterte er den Objektträger nur ein paar Sekunden.
»Sehr interessant!« sagte er dann, während er aufblickte und Jack ansah. Das Wort »interessant« war ein dickes Kompliment, wenn es aus dem Munde des alten Mannes kam. Weil er so schlecht hören konnte, sprach er ziemlich laut. »Ich würde sagen, wir haben es hier mit Lebergewebe und mit einem Granulom zu tun. Außerdem habe ich auch noch die vernarbten Reste eines weiteren Granuloms gesehen. Beim genaueren Betrachten der kleinen Geschwülste glaube ich zudem ein paar Merozoiten entdeckt zu haben, aber ich bin mir nicht ganz sicher.«
Jack nickte. Er nahm an, daß Dr. Malovar von den winzigen basophilen Flecken redete, die ihm auch selber im Kern des Granuloms aufgefallen waren.
Dr. Malovar griff zum Telefon, wählte die Nummer eines
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