Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
einmal vor. Sie überflog die Aufzeichnungen ein weiteres Mal mit klarem Verstand, und diesmal sprang ihr gleich beim ersten Lesen etwas ins Auge: Ihr fiel auf, wie häufig sie den Begriff Eingangsnummer notiert hatte. Im Grunde überraschte sie das natürlich nicht. Schließlich entsprach die Eingangsnummer einer Leiche in etwa der Sozialversicherungsnummer eines lebendigen Menschen. Die Nummer diente der Identifizierung und ermöglichte es den Mitarbeitern des Gerichtsmedizinischen Instituts, die unzähligen eingelieferten und wieder abgeholten Leichen sowie den mit ihnen verbundenen Papierkram auseinanderzuhalten. Wann immer eine neue Leiche eintraf, wurde sie als erstes mit einer Eingangsnummer versehen. Als nächstes band man ihr ein kleines Schildchen mit der Nummer um den großen Zeh.
Während Laurie auf das Wort »Eingangsnummer« starrte, stellte sie zu ihrer Überraschung fest, daß sie sich noch nie Gedanken darüber gemacht hatte, was es eigentlich bedeutete. Dabei verwendete sie es jeden Tag, ohne es je hinterfragt zu haben. Jede Notiz und jeder Bericht aus dem Labor, jeder Röntgenfilm, jeder Bericht der pathologischen Ermittler - einfach jedes interne Schriftstück trug die Eingangsnummer. In vielerlei Hinsicht war die Nummer sogar wichtiger als der Name der Leiche. Während sie über die eigentliche Bedeutung des Wortes »Eingang« nachgrübelte, kamen ihr unter anderem Worte wie »Zugang« oder »Zulieferung« in den Sinn. »Eingang« bezog sich also ganz konkret auf die Einlieferung der Leiche in das Gerichtsmedizinische Institut.
Sie suchte erneut die Nummern und Namen der Leichen heraus, die am Abend oder während der Nacht des vierten März abgeholt worden waren, der Nacht also, in der auch Franconis Leiche verschwunden war. Unter dem Tablett mit den Objektträgern fand sie den Zettel mit der Notiz: Dorothy Kline # 101455 und Frank Gleason # 100385. Nachdem sie so intensiv über die Bedeutung des Wortes »Eingangsnummer« nachgedacht hatte, fiel ihr jetzt etwas auf, das ihr vorher entgangen war. Die Eingangsnummer von Dorothy Kline war um mehr als tausend höher als die von Frank Gleason! Da die Nummern fortlaufend vergeben wurden, war dies äußerst seltsam. Laurie wußte in etwa, wie viele Leichen durch das Gerichtsmedizinische Institut geschleust wurden, deshalb schätzte sie, daß zwischen den Einlieferungen dieser beiden Leichname mehrere Wochen liegen mußten. Da Leichen normalerweise nie länger als ein paar Tage im Institut verblieben, kam ihr diese außergewöhnliche Zeitspanne merkwürdig vor. Sie gab die Eingangsnummer von Frank Gleason in ihren Computer ein. Es war seine Leiche gewesen, die das Spoletto Funeral Home abgeholt hatte. Die Information auf dem Bildschirm ließ sie aus allen Wolken fallen. »Um Himmels willen«, schluckte sie.
Lou war bester Dinge. Entgegen dem romantischen Image, das die meisten Menschen vom Arbeitsalltag eines Detectives hatten, war es in Wirklichkeit äußerst zermürbend und undankbar, tagein, tagaus ermitteln und recherchieren zu müssen. Jetzt jedoch saß er gemütlich in seinem Büro und führte nützliche Telefongespräche; endlich einmal erschien ihm sein Job angenehm und erfüllend. Außerdem war es nett, sich mal wieder bei seinen alten Bekannten zu melden.
»Meine Güte, Soldano!« rief Mark Servert. Mark war Lous Kontaktperson bei der FAA in Oklahoma City. »Da hört man ein ganzes Jahr nichts von Ihnen, und heute rufen Sie mich schon zum zweiten Mal an! Sie scheinen da ja wirklich einem heißen Fall auf der Spur zu sein!«
»Der Fall ist wirklich einsame Klasse«, entgegnete Lou. »Aber ich habe noch eine Frage. Wie wir inzwischen herausgefunden haben, ist der G4-Flieger, über den wir vor ein paar Stunden gesprochen haben, am neunundzwanzigsten Januar von Lyon in Frankreich nach Teterboro in New Jersey geflogen. Allerdings ist der Mann, für den wir uns interessieren, den offiziellen Angaben zufolge nicht in Frankreich eingereist. Deshalb wüßten wir jetzt gerne, ob man irgendwie in Erfahrung bringen kann, wo die Maschine N69SU herkam, bevor sie in Lyon gelandet ist.«
»Eine knifflige Frage«, bemerkte Mark. »Ich weiß, daß die ICAO…«
»Einen Augenblick bitte«, unterbrach ihn Lou. »Ich kann mir diese verdammten Abkürzungen einfach nicht merken. Was bedeutet ICAO?«
»International Civil Aviation Organization«, erklärte Mark. »Die Internationale Verkehrsluftfahrtorganisation. Soweit ich weiß, registrieren sie da
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