Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
nicht geheuer.
Um vorwärts zu kommen, mußten sie sich von dem großen Boot abstoßen und gleichzeitig paddeln und an Schilfhalmen ziehen. Einmal in dem lichten Durchlaß, den sie für einen Verbindungsweg hielten, kamen sie relativ mühelos voran.
Kevin saß im Heck und paddelte, Candace unterstützte ihn im Bug. Sie kamen im Schrittempo voran. Die zwei Meter enge Passage schlängelte sich in unzähligen Kurven durch das Sumpfgebiet. Obwohl es erst acht Uhr morgens war, knallte die Äquatorsonne gnadenlos auf sie herab. In dem dichten Schilf war es sogar noch heißer, da kein Lüftchen wehte.
»Viele Wege gibt es auf der Insel nicht gerade«, stellte Melanie fest. Sie hatte die Höhenlinienkarte auseinandergefaltet und studierte sie.
»Der Hauptweg führt von der Brücke zum Lago Hippo«, erklärte Kevin. »Und dann gibt es noch ein paar Pfade, die am Lago Hippo beginnen«, vollendete Melanie. »Wahrscheinlich wurden sie angelegt, um das Zurückholen der Tiere zu erleichtern.«
»Schätze ich auch«, stimmte Kevin zu.
Kevin starrte in das dunkle, trübe Wasser und sah die Fäden einer Unterwasserpflanze in die Richtung driften, in die sie paddelten. Da vermutlich die Strömung dafür verantwortlich war, war er beruhigt.
»Versuch doch mal Bonobo Nummer sechzig mit dem Ortungsgerät aufzuspüren«, schlug Kevin vor.
»Ich bin gespannt, ob er sich seit unserem letzten Check vom Fleck gerührt hat.« Melanie gab die Daten in das Gerät ein.
»Er hat sich offenbar nicht bewegt«, stellte sie fest. Dann veränderte sie den Maßstab, so daß er dem der Höhenlinienkarte entsprach. Ein rotes Lämpchen blinkte auf. »Er ist immer noch an derselben Stelle auf der Lichtung in dem Sumpfgelände.«
»Selbst wenn wir keine anderen Bonobos zu sehen bekommen, können wir zumindest mal nachsehen, was mit Nummer sechzig los ist«, schlug Kevin vor.
Vor ihnen baute sich nun die gut dreißig Meter hohe Dschungelwand auf. Als sie die letzte Kurve in dem sumpfigen Schilfgebiet genommen hatten, sahen sie den Wasserlauf im dichten Regenwald verschwinden.
»Gleich sind wir im Schatten«, freute sich Candace. »Im Wald ist es bestimmt viel kühler.«
»Freu dich nicht zu früh«, entgegnete Kevin. Sie schoben vorsichtig die im Weg hängenden Äste zur Seite und glitten leise in das ewige Halbdunkel des Dschungels. Candace hatte sich in der Tat zu früh gefreut: Es war, als hätten sie ein schwüles Treibhaus betreten, in dem man leicht Platzangst bekam. Es wehte kein Lüftchen, und von überall tropfte es auf sie herab. Obwohl das dichte Geäst und die unzähligen Kletter- und Hängepflanzen keinen Sonnenstrahl durchließen, hielt sich die Hitze unter dem tropischen Pflanzendach wie unter einer schweren Wolldecke. Einige Blätter hatten einen Durchmesser von dreißig Zentimetern und mehr. Die Dunkelheit in dem engen Tunnel, durch den sie nun immer tiefer in den Urwald hineinglitten, traf sie wie ein Schock. Doch allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht, und sie konnten erste Konturen und Details erkennen. Was die Lichtverhältnisse anging, hatten sie das Gefühl, in die späte Abenddämmerung hineinzufahren.
Von dem Augenblick an, als sie die ersten Äste beiseite geschoben hatten, wurden sie von Insektenschwärmen angegriffen, unter anderem von Moskitos, Hirschkäfern und Bienenameisen. Melanie griff panisch nach dem Insektenblocker. Nachdem sie sich eingesprüht hatte, reichte sie den anderen das Fläschchen.
»Es riecht irgendwie sumpfig und ekelig«, klagte sie.
»Ich finde es total unheimlich!« rief Candace aus dem Bug. »Gerade habe ich eine Schlange gesehen, und es gibt nichts, was ich mehr hasse als Schlangen.«
»Solange wir im Boot sind, kann uns nichts passieren«, versuchte Kevin die Frauen zu beruhigen.
»Paßt also auf, daß wir nicht umkippen!« witzelte Melanie.
»Wenn ich nur daran denke, daß wir umkippen könnten, läuft es mir kalt den Rücken runter«, sagte Candace. »Schließlich ist das hier alles völlig neu für mich. Ihr beiden lebt immerhin schon seit ein paar Jahren in diesen gemütlichen Gefilden.«
»Wir müssen uns nur vor den Krokodilen und den Nilpferden in acht nehmen«, erklärte Kevin. »Sagt mir Bescheid, wenn ihr welche seht.«
»Das wird ja immer besser!« klagte Candace. »Was, bitte schön, sollen wir denn tun, wenn wir Krokodile oder Nilpferde sehen?«
»Ich wollte euch keinen Schrecken einjagen«, erwiderte Kevin. »Wahrscheinlich sehen wir erst welche,
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