Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
ausgetreten war. Er verlief parallel zum Ufer des kleinen Sees.
»Offenbar schickt Siegfried doch öfter Arbeitertrupps her, als wir dachten«, vermutete Melanie. »Der Weg sieht jedenfalls so aus, als wäre er sorgsam instand gehalten worden.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, stimmte Kevin zu. »Vermutlich müssen sie sich um die Erhaltung der Wege kümmern, um die Tiere im Bedarfsfall schnell einfangen zu können. Der Dschungel ist hier so dicht, daß er innerhalb kürzester Zeit sämtliche Wege überwuchern würde. Unser Glück, daß sie so gut erhalten sind, so kommen wir wenigstens problemlos voran. Soweit ich mich erinnere, führt dieser Pfad zur Kalksteinklippe. «
»Wenn sich regelmäßig jemand um die Erhaltung der Wege kümmert, ist Siegfrieds Geschichte von den rumkokelnden Arbeitern vielleicht doch nicht erstunken und erlogen«, gab Melanie zu bedenken.
»Schön wär’s«, entgegnete Kevin.
»Irgend etwas riecht hier übel«, sagte Candace und schnupperte intensiv nach allen Seiten. »Es stinkt sogar bestialisch.« Kevin und Melanie strengten nun ebenfalls ihre Geruchssinne an und mußten ihr beistimmen.
»Das ist kein gutes Zeichen«, stellte Melanie fest. Kevin nickte und marschierte weiter auf den Rand des Urwalds zu. Ein paar Minuten später bot sich den dreien ein ekelerregender Anblick. Mit zugehaltenen Nasen starrten sie auf die Überreste von Bonobo Nummer sechzig hinab. Auf dem Kadaver tummelten sich Schwärme verschiedenster Insekten. Auch größere Aasfresser hatten bereits ihre Spuren hinterlassen.
Noch grausamer jedoch als der Zustand der Leiche war etwas anderes - etwas, das auf die Todesursache hinwies. Ein keilförmiger Stein hatte die arme Kreatur zwischen den Augen getroffen und ihren Kopf in zwei Teile gespalten. Der Stein lag noch in der offenen Wunde. Die weit aufgerissenen Augen des Affen starrten in unterschiedliche Richtungen.
»Oje«, seufzte Melanie. »Genau das wollten wir nicht vorfinden. Wie es aussieht, haben die Bonobos sich also nicht nur in zwei Gruppen gespalten, sondern bringen sich auch gegenseitig um. Vielleicht ist Nummer siebenundsechzig auch tot.« Kevin stieß mit dem Fuß gegen den Stein, der daraufhin aus dem verwesenden Kopf kullerte. Alle drei starrten entsetzt auf den Stein.
»Das ist noch etwas, was wir nicht vorfinden wollten«, stellte Kevin fest.
»Was meinst du damit?« fragte Candace. »Der Stein wurde bearbeitet«, erklärte Kevin und zeigte mit der Spitze seines Schuhs auf eine Seite des Steins, an der frisch gemeißelte Rillen zu erkennen waren. »Vermutlich stellen sie primitive Handwerkzeuge her.«
»Also ein weiterer Hinweis dafür, daß wir mit unseren schlimmsten Befürchtungen richtig lagen«, stellte Melanie fest.
»Laßt uns mal ein Stück weitergehen«, schlug Kevin vor. »Mir wird gleich schlecht bei diesem Gestank.« Kevin war nur drei Schritte in Richtung Osten gegangen, als eine Hand an seinem Arm ihn zurückhielt. Er drehte sich um und sah Melanie den Zeigefinger auf ihre Lippen pressen. Sie zeigte in Richtung Süden.
Kevin wandte sich um und hielt die Luft an. Etwa fünfzig Meter vor ihnen stand im Schatten der Dschungelriesen einer der Bonobos! Das Tier stand stocksteif da, als hätte es einen Besen verschluckt. Als ob es gerade eine militärische Ehrenwache hielte, rührte es sich nicht von der Stelle. Der Bonobo schien Kevin und die beiden Frauen genauso entsetzt anzustarren wie sie ihn.
Kevin war überrascht, wie groß das Tier war. Es maß fast eins sechzig. Außerdem schien es ziemlich schwer zu sein. Während er den unglaublich muskulösen Torso bestaunte, kam er zu dem Schluß, daß der Bonobo zwischen hundertfünfundzwanzig und hundertfünfzig Pfund auf die Waage bringen mußte.
»Er ist auf jeden Fall größer als die Bonobos, die ich bisher im OP gesehen habe«, sagte Candace. »Glaube ich zumindest. Ich habe sie ja bisher nur bei der Entnahme der Transplantate zu Gesicht bekommen, und dabei waren sie jedesmal schon betäubt und angeschnallt.«
»Pst!« ermahnte Melanie ihre Freundin. »Wir dürfen ihn nicht erschrecken. Vielleicht ist dies unsere einzige Chance, einen der Bonobos zu sehen.«
Vorsichtig und jede hastige Bewegung vermeidend ließ Kevin seine Ausrüstungstasche von der Schulter gleiten und nahm den Positionsbestimmer heraus. Dann schaltete er die Scanner-Funktion ein und zeigte direkt auf den Bonobo. Das Gerät begann leise zu piepen, bis ein durchgehender Ton verkündete, daß die Ortung
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