Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
haben.« Candace mußte schwer schlucken, als der Bonobo ihre Haare betatschte. Die hellblonde Farbe schien ihn zu faszinieren. Es kostete sie den letzten Nerv, nicht laut loszuschreien oder sich zu ducken.
Mit einem Mal begann ein anderes Tier, Laute von sich zu geben und zu gestikulieren. Dabei zeigte es auf seine Seite. Kevin erkannte eine lange, gerade verheilende Operationsnarbe.
»Das ist der Bonobo, dem wir eine Niere entnommen haben«, wisperte er. »Wir haben sie dem Geschäftsmann aus Dallas eingepflanzt. Seht mal, wie er auf uns zeigt. Offenbar hält er uns für die Leute, die ihn eingefangen haben.«
»Das hat bestimmt nichts Gutes zu verheißen«, flüsterte Melanie.
Inzwischen wagte sich ein weiterer Bonobo vor und betatschte vorsichtig Kevins vergleichsweise unbehaarten Unterarm. Dann betastete er den Positionsbestimmer in Kevins Hand. Kevin wunderte sich, daß er keine Anstalten machte, ihm das Gerät zu entwenden.
Der Bonobo, der direkt vor Melanie stand, griff nach dem Stoff ihrer Bluse, nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger und musterte ihn neugierig. Dann betastete er vorsichtig Melanies Ortungsgerät; er tippte es nur mit der Spitze seines Zeigefingers an.
»Ich glaube, sie finden uns irgendwie geheimnisvoll«, bemerkte Kevin zögernd. »Sie scheinen Respekt vor uns zu haben. Wie es im Augenblick aussieht, wollen sie uns nicht verletzen. Vielleicht halten sie uns für Götter.«
»Und wie können wir sie in dem Glauben bestärken?« fragte Melanie.
»Vielleicht sollten wir ihnen etwas schenken«, sagte Kevin und inspizierte die Sachen, die er am Leibe trug. Sofort fiel ihm seine Armbanduhr ins Auge. Behutsam klemmte er sich den Positionsbestimmer unter den Arm und streifte sich die Uhr über die Hand. Dann nahm er das Armband zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie dem vor ihm stehenden Bonobo hin.
Der Bonobo neigte den Kopf, musterte die Uhr und nahm sie an sich. Doch kaum hatte er sie in der Hand, als Bonobo Nummer eins sich mit einem lauten »ot« zu Wort meldete. Daraufhin gab das Tier seine Beute sofort auf. Bonobo Nummer eins grapschte sich die Uhr, begutachtete sie und streifte sie sich auf den Unterarm.
»Das gibt’s doch nicht!« krächzte Kevin. »Jetzt trägt mein Double auch noch meine Uhr. Was für ein Alptraum!«
Für eine Weile schien Bonobo Nummer eins die Uhr zu bewundern. Dann hob er den Arm, formte mit seinem Daumen und seinem Zeigefinger einen Kreis und brüllte: »Randa!« Einer der Bonobos rannte sofort los und verschwand für ein paar Sekunden im Wald. Als er zurückkam, hielt er ein Seil in der Hand.
»Ein Seil?« fragte Kevin beunruhigt. »Was haben sie bloß vor?«
»Wo er wohl das Seil her hat?« wollte Melanie wissen.
»Wahrscheinlich haben sie es zusammen mit dem Werkzeug geklaut«, erwiderte Kevin.
»Was machen sie jetzt?« fragte Candace. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Der Bonobo ging direkt auf Kevin zu und schlang ihm das Seil um die Taille. Kevin beobachtete ihn mit einer Mischung aus Angst und Bewunderung. Der Affe machte einen groben Knoten und zog ihn stramm.
Kevin sah zu den Frauen hinüber. »Bloß nicht wehren!« riet er ihnen. »Ich glaube, solange wir sie nicht verärgern oder ihnen Angst einjagen, passiert uns nichts.«
»Ich will mich aber nicht von ihnen festbinden lassen«, jammerte Candace.
»Solange wir nicht verletzt sind, ist alles in Ordnung«, versuchte Melanie sie zu beruhigen.
Der Bonobo verschnürte Melanie und Candace auf ähnliche Weise wie Kevin. Als er fertig war, trat er einen Schritt zurück. Das lange Ende des Seils hielt er in den Händen.
»Wie es scheint, wollen sie uns eine Weile hierbehalten«, sagte Kevin. Doch sein Versuch, die Situation auf die leichte Schulter zu nehmen, kam nicht besonders gut an.
»Sei mir nicht böse, aber ich finde deinen Scherz nicht gerade ulkig«, entgegnete Melanie.
»Zumindest scheint es sie nicht zu stören, daß wir uns unterhalten«, stellte Kevin fest.
»Sie scheinen unsere Gespräche sogar interessant zu finden«, fügte Melanie hinzu. Immer wenn einer von ihnen etwas sagte, neigte der am nächsten stehende Bonobo den Kopf zur Seite, als ob er aufmerksam lauschen würde.
Plötzlich begann Bonobo Nummer eins wild zu gestikulieren. Er öffnete und schloß seine Hände, stieß sie immer wieder von seiner Brust weg und rief dabei laut: »Arak!« Auf einmal setzte sich die ganze Gruppe in Bewegung. Auch der Bonobo, der das Seil hielt, marschierte los.
Weitere Kostenlose Bücher