Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
evolutionäre Entwicklung durchgemacht, die bei den Menschen vier oder fünf Millionen Jahre gedauert hat.«
»Jetzt hört doch endlich auf mit diesem Gequatsche!« jammerte Candace. »Diese Kreaturen haben uns gefangengenommen, und ihr führt in aller Ruhe eure wissenschaftlichen Diskussionen.«
»Wir führen keine wissenschaftlichen Diskussionen«, widersprach Kevin. »Wir stellen nur gerade fest, daß wir einen Riesenfehler begangen haben. Und ich bin dafür verantwortlich! Es ist alles noch viel schlimmer, als ich es nach dem Aufsteigen der Rauchwolken befürchtet hatte. Diese Kreaturen sind tatsächlich Frühmenschen.«
»Ich bin zumindest mitverantwortlich«, warf Melanie ein.
»Nein«, widersprach Kevin. »Es war allein mein Werk! Schließlich habe ich die Chimären erzeugt, indem ich menschliche Chromosomenteile mit dem DNA der Bonobos rekombiniert habe.«
»Was haben sie denn jetzt schon wieder vor?« fragte Candace. Kevin und Melanie drehten sich um und sahen Bonobo Nummer eins direkt auf sie zukommen. Er trug den blutigen Kadaver eines Colobusäffchens vor sich her. Daß er noch immer die Armbanduhr umhatte, betonte auf groteske Weise seine Stellung zwischen Mensch und Affe.
Der anführende Bonobo ging direkt auf Candace zu, hielt ihr mit beiden Händen den toten Affen entgegen und sagte: »Sta.« Candace gab einen wehleidigen Laut von sich und wandte ihr Gesicht ab. Sie sah aus, als müßte sie sich auf der Stelle übergeben.
»Er will dir ein Geschenk machen«, versuchte Melanie sie zu beruhigen. »Du solltest irgendwie darauf reagieren.«
»Ich kann mir das tote Tier nicht ansehen«, jammerte Candace. »Reiß dich zusammen, und versuch es«, bat Melanie sie eindringlich.
Candace wandte sich vorsichtig um. Der Ekel, den sie verspürte, stand ihr ins Gesicht geschrieben. Die Bonobos hatten den Kopf des kleinen Äffchens vollkommen zertrümmert. »Mach eine Verbeugung - oder irgendwas anderes«, forderte Melanie sie auf.
Candace rang sich ein schwaches Lächeln ab und nickte mit dem Kopf.
Bonobo Nummer eins nickte daraufhin ebenfalls und zog sich zurück.
»Unglaublich«, staunte Melanie, während sie dem Tier hinterhersah. »Obwohl er offensichtlich der männliche Anführer ist, müssen in ihm noch Überreste der typisch matriarchalischen Verhaltensweise der Bonobos überlebt haben.«
»Das hast du Klasse gemacht«, wandte sich Kevin an Candace.
»Ich bin total am Ende«, wimmerte sie. »Ich wußte ja schon immer, daß blonde Frauen attraktiver sind«, sagte Melanie, die sich bemühte, die Lage mit Humor zu meistern.
Der Bonobo, der das Seil hielt, gab den dreien durch einen Ruck zu verstehen, daß es weiterging; diesmal zog er allerdings längst nicht so heftig. Die Gruppe zog weiter, und Kevin, Melanie und Candace mußten ihr folgen.
»Ich will keinen Schritt mehr weitergehen«, flüsterte Candace. Sie war den Tränen nahe.
»Versuch dich zusammenzureißen«, sagte Melanie. »Es wird schon alles gutgehen. Ich glaube allmählich, Kevin hat recht. Sie halten uns für eine Art göttliche Wesen, und zwar vor allem dich, weil du blond bist. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie längst kurzen Prozeß mit uns machen können - so wie sie es mit den kleinen Äffchen gemacht haben.«
»Warum haben sie die Äffchen nur getötet?« fragte Candace.
»Um sie zu fressen, nehme ich an«, erwiderte Melanie. »Ein bißchen wundert mich das allerdings, denn eigentlich sind Bonobos eher Pflanzenfresser. So ein Verhalten hätte man eher bei Schimpansen vermutet.«
»Ich hatte schon befürchtet, sie seien so menschlich, daß sie die Äffchen nur zum Spaß getötet haben«, sagte Candace mit Galgenhumor.
Sie durchquerten zunächst ein sumpfiges Gebiet, dann ging es eine Weile bergauf. Fünfzehn Minuten später verließen sie das Halbdunkel des Urwalds und traten hinaus auf ein steiniges, aber hier und da mit Gräsern bewachsenes Feld am Fuße der Kalkstein-Erhebung.
Auf halbem Weg sahen sie die Öffnung einer Höhle, die nur über etliche, extrem steil gestufte Riffs im Felsen zugänglich schien. Am Eingang der Höhle saß ein weiteres Dutzend Bonobos, vielleicht waren es auch mehr. Es waren ausschließlich Weibchen. Sie schlugen sich alle mit den Handflächen auf die Brust und brüllten immer wieder: »Bada!« Die mit Kevin, Melanie und Candace ankommenden Bonobos erwiderten die Geste und hielten dabei ihre toten Äffchen hoch, was die Weibchen mit anhaltendem Gejohle und Gekreische beantworteten. Was
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