Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
nicht«, zweifelte Kevin. »Vielleicht sollten wir lieber mal zur Insel rüberfahren und nachsehen.«
»Kommt gar nicht in Frage!« brauste Bertram auf. Für einen kurzen Moment preßte er verbissen die Lippen aufeinander, und seine blauen Augen funkelten. Doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge wieder.
»Ich gehe aus keinem anderen Grund auf die Insel, als um eines von den Tieren zurückzuholen. So lautet der ursprüngliche Plan, und wir werden uns verdammt noch mal daran halten! So gut wie die Dinge laufen, will ich kein Risiko eingehen. Die Tiere müssen in absoluter Isolation leben und dürfen auf keinen Fall gestört werden. Der einzige Mensch, der die Insel betreten darf, ist der Pygmäe Alphonse Kimba, und auch er betritt sie nur, um zusätzliche Nahrung rüberzuschaffen.«
»Vielleicht könnte ich ja selber rüberfahren«, schlug Kevin vor. »Ich würde bestimmt nicht lange brauchen und müßte mir dann wenigstens keine Sorgen mehr machen.«
»Das ist völlig ausgeschlossen!« wies Bertram ihn energisch zurecht. »Für diesen Bereich des Projekts bin allein ich verantwortlich, und ich verbiete Ihnen - wie jedem anderen auch - die Insel zu betreten.«
»Ich verstehe nicht, was daran so problematisch sein soll«, wandte Kevin ein. »Ich würde die Tiere doch nicht stören.«
»Nein!« entschied Bertram. »Es gibt keine Ausnahmen. Die Bonobos sollen wie in freier Wildbahn heranwachsen. Und das setzt minimalen Kontakt voraus. Außerdem leben wir hier in einer kleinen Enklave: Wenn jemand auf die Insel geht, wird auf jeden Fall darüber geredet - und das wollen wir unbedingt vermeiden. Vor allem aber könnte es auch gefährlich sein.«
»Gefährlich?« hakte Kevin nach. »Den Nilpferden und Krokodilen würde ich schon aus dem Wege gehen. Und von den Bonobos geht ja wohl kaum irgendeine Gefahr aus.«
»Einer von unseren Trägern wurde bei der letzten Rückholaktion getötet«, erklärte Bertram. »Ein Pygmäe. Wir haben es bisher geheimgehalten - aus Gründen, die wohl auf der Hand liegen.«
»Wie wurde er getötet?« fragte Kevin.
»Von einem Stein«, erwiderte Bertram. »Einer von den Bonobos hat mit einem Stein nach ihm geworfen.«
»Ist das nicht ziemlich ungewöhnlich?« fragte Kevin. Bertram zuckte mit den Achseln.
»Von Schimpansen weiß man, daß sie gelegentlich mit Stöcken werfen, wenn sie unter Streß stehen oder Angst haben. Nein, ich glaube nicht, daß wir uns darüber den Kopf zerbrechen müssen. Wahrscheinlich war es einfach nur eine Reflexhandlung. Der Stein lag da, und der Bonobo hat ihn einfach aufgehoben und damit geworfen.«
»Aber die Tat zeugt von einer ziemlichen Aggressivität«, wandte Kevin ein. »Dabei sind Bonobos normalerweise überhaupt nicht aggressiv, und unsere hier schon gar nicht.«
»Alle Affenarten verteidigen ihre Gruppe, wenn sie angegriffen werden«, erklärte Bertram.
»Aber wieso, um alles in der Welt, sollten sie sich denn angegriffen gefühlt haben?« fragte Kevin.
»Es war immerhin schon die vierte Rückholaktion«, erwiderte Bertram und zuckte erneut mit den Achseln. »Vielleicht haben sie eine Ahnung, was sie erwartet. Aber was auch immer der Grund sein mag - wir wollen nicht, daß irgend jemand die Insel betritt. Spallek und ich haben ausgiebig darüber gesprochen, und er ist voll und ganz meiner Meinung.«
Bertram erhob sich und legte Kevin eine Hand auf die Schulter. Kevin versuchte, seinem Kollegen auszuweichen, doch Bertram hielt ihn fest.
»Mensch, Kevin! Entspannen Sie sich, und denken Sie daran, was ich Ihnen vorhin gesagt habe! Ihre Phantasie geht mit Ihnen durch. Sie müssen dringend mal raus aus Ihrem Labor und etwas tun, das Ihr hyperaktives Hirn auf andere Gedanken bringt. Sie drehen ja allmählich durch und verhalten sich geradezu wie ein Besessener. Dieser Quatsch mit dem Feuer ist doch einfach lächerlich. Das Projekt läuft hervorragend. Überlegen Sie sich das mit der Einladung zum Abendessen doch noch einmal! Trish und ich würden uns wirklich sehr freuen.«
»Ja, mal sehen«, erwiderte Kevin. Er fühlte sich äußerst unwohl mit Bertrams Arm auf seiner Schulter.
»Gut«, sagte Bertram und klopfte Kevin eine weiteres Mal auf die Schulter. »Vielleicht könnten wir drei uns ja auch gemeinsam einen Film ansehen. Diese Woche gibt es ein hervorragendes Programm - mit zwei Hauptfilmen. Sie sollten das Angebot wirklich mal nutzen. Man muß es GenSys doch hoch anrechnen, daß sie uns hier wöchentlich die neuesten Filme
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