Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
bin kaum aus dem Bett gekommen. Es war furchtbar. Guten Morgen, Vinnie!« Vinnie regte sich nicht hinter seinen Sportseiten.
»Er schmollt«, erklärte Jack. »Weil ich ihm einen Teil von seiner Zeitung weggenommen habe.« Dann stand er auf, damit Laurie sich an den Planungstisch setzen konnte. Diese Woche war sie an der Reihe, die einzelnen Autopsiefälle auf die verschiedenen Mitarbeiter zu verteilen. »Sie haben die Franconi-Geschichte zur Schlagzeile und zur Titelstory gemacht. «
»Das wundert mich überhaupt nicht«, entgegnete Laurie. »Die Geschichte ist in allen lokalen Nachrichten rauf und runter gegangen, und wie ich außerdem gehört habe, wird Bingham bei Good Morning America im Studio sitzen. Er will wohl Schadensbegrenzung betreiben.«
»Mit Sicherheit«, pflichtete Jack ihr bei. »Er wird wohl alle Hände voll zu tun haben.«
»Hast du schon einen Blick auf die neuen Fälle geworfen?« fragte Laurie, während sie die etwa zwanzig Aktenmappen durchzublättern begann.
»Ich bin auch gerade erst gekommen«, gestand Jack und wandte sich wieder dem Artikel zu.
»Das ist ja wirklich spitze!« rief er nach einer Weile. »Sie behaupten doch glatt, daß es zwischen uns und der Polizei eine Art Verschwörung gibt - und daß wir die Leiche auf ihren Wunsch haben verschwinden lassen! Kannst du dir das vorstellen? Diese Reporter sind so paranoid, daß sie hinter jedem Furz eine Verschwörung vermuten.«
»Die ganze Öffentlichkeit ist paranoid«, wandte Laurie ein. »Die Medien verbreiten doch nur, was die Leute sehen, hören und lesen wollen. Aber gerade weil jetzt die wildesten Theorien in Umlauf gebracht werden, will ich unbedingt herausfinden, wie die Leiche verschwunden ist. Schließlich muß die Öffentlichkeit erfahren, daß wir unparteiisch sind.«
»Und ich hatte schon gehofft, daß du deine Meinung änderst und nicht mehr weiter in der Geschichte herumrührst, wenn du erst mal eine Nacht darüber geschlafen hast«, murmelte Jack, während er weiterlas.
»Nicht im Traum«, entgegnete Laurie.
»Das ist doch unglaublich!« entfuhr es Jack, und er schlug auf die Zeitung. »Erst behaupten sie, daß wir für das Verschwinden der Leiche verantwortlich sind, und dann heißt es ein paar Zeilen weiter, es sei ohne jeden Zweifel der Mob gewesen, der die Überreste von Franconi im hintersten Westchester verscharrt hat, damit sie nie wieder auftauchen.«
»Mit dem letzten Teil ihrer Behauptungen haben sie wahrscheinlich sogar recht«, bemerkte Laurie. »Außer daß die Leiche im Frühling, wenn es taut, doch wieder auftauchen könnte. Bei dem derzeitigen Frost kann man höchstens dreißig Zentimeter tief graben.«
»Mein Gott, was für ein Mist!« rief Jack, als er den Artikel zu Ende gelesen hatte. »Hier, willst du ihn lesen?« fragte er und hielt Laurie den vorderen Teil der Zeitung hin. Sie winkte ab.
»Danke«, sagte sie. »Ich habe schon die Version der Times gelesen, und die war weiß Gott bissig genug. Auf die Ansicht der New York Post kann ich getrost verzichten.«
Jack ging zurück zu Vinnie und bot ihm großzügig an, die Zeitung wieder so herzurichten, daß sie wieder wie neu aussehe. Vinnie nahm die Seiten kommentarlos entgegen. »Du bist ja heute wirklich extrem entgegenkommend«, versuchte Jack seinen Gehilfen aufzuziehen. »Laß mich in Ruhe«, raunzte Vinnie zurück. »Paß auf, Laurie!« rief Jack. »Wie mir scheint, hat Vinnie prämentale Verspannungen. Er ist wohl gerade dabei, einen Denkprozeß in Gang zu setzen, und dabei spielen seine Hormone verrückt.«
»O Gott!« stöhnte Laurie auf. »Hier haben wir die Wasserleiche, von der Mike Passano gestern nacht geredet hat. Wen soll ich bloß darauf ansetzen? Dummerweise habe ich im Moment niemanden, auf den ich sauer bin. Um keinem der Kollegen gegenüber Schuldgefühle zu entwickeln, werde ich mir den Fall wohl am besten selber vornehmen.«
»Gib ihn mir«, schlug Jack vor.
»Macht es dir denn nichts aus?« fragte Laurie. Sie selbst haßte Wasserleichen, vor allem solche, die schon lange im Wasser gelegen hatten. Es war nicht nur unangenehm, sondern oft auch sehr kompliziert, sie zu obduzieren.
»Ach was«, erwiderte Jack. »Wenn man sich einmal an den Geruch gewöhnt hat, ist es gar nicht so schlimm.«
»Bitte hör auf«, murmelte Laurie. »Das ist ja ekelhaft.«
»Nein, im Ernst«, entgegnete Jack. »Wasserleichen können sogar eine Herausforderung sein. Mir sind sie jedenfalls allemal lieber als Leichen mit
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