Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
die eidesstattliche Erklärung an Tony weiter, der ihm das Papier wütend aus der Hand riss. Er war sich sehr wohl darüber im Klaren, was das bedeutete.
»Dann wollen Sie also damit sagen, dass Patience Stanhope nicht an einem Herzinfarkt gestorben ist?«, sagte Richter Davidson.
»Sie ist nicht an einem Herzinfarkt gestorben. Sie ist an einer gewaltigen Tetrodotoxinvergiftung gestorben. Da es dagegen keine Behandlungsmöglichkeit gibt, ist es vollkommen unerheblich, zu welchem Zeitpunkt sie ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Von dem Moment an, in dem sie das Gift schluckte, gab es für sie keine Rettung mehr.«
Ein lautes Klopfen ertönte an der Tür des Richterzimmers. Richter Davidson rief den Anklopfenden unwirsch herein. Daraufhin steckte der Gerichtsdiener den Kopf durch den Spalt und sagte: »Die Geschworenen bitten um eine Kaffeepause. Was soll ich ihnen sagen?«
»Geben Sie ihnen ihre Kaffeepause«, entgegnete der Richter und scheuchte ihn mit einem Wink hinaus. Er durchbohrte Jack mit seinen wie Gewehrläufe anmutenden Augen. »Das ist also der entlastende Teil. Wie lautet der belastende?«
Jack lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Das war der Teil seiner Aussage, der ihm am schwersten fiel. »Auf Grund seiner Toxizität unterliegt der Umgang mit Tetrodotoxin strengen Auflagen, vor allem in der heutigen Zeit. Aber diese Verbindung hat eine erstaunliche Eigenschaft. Der gleiche molekulare Mechanismus, der für ihre Toxizität verantwortlich ist, macht sie zu einem hervorragenden Hilfsmittel, um Natriumkanäle in Nerven- und Muskelzellen zu studieren.«
»Was hat das mit dem vorliegenden Fall zu tun?«
»Dr. Craig Bowmans publizierte und gegenwärtige Forschungen beschäftigen sich mit dem Studium von Natriumkanälen. Er arbeitet sehr häufig mit Tetrodotoxin.«
Eine drückende Stille senkte sich auf den Raum herab, während Jack und Richter Davidson sich über den Tisch des Richters hinweg ansahen. Die beiden anderen Männer ließen sie nicht aus den Augen. Eine ganze Minute lang sprach keiner ein Wort. Schließlich räusperte sich der Richter und sagte: »Gibt es abgesehen von diesem Indizienbeweis, dem Zugang zu Tetrodotoxin, noch etwas anderes, das Dr. Bowman mit dieser Tat in Verbindung bringt?«
»Ja, das gibt es«, antwortete Jack widerstrebend. »Gleich nachdem das Tetrodotoxin in den Proben nachgewiesen wurde, bin ich ins Haus der Bowmans zurückgefahren, bei denen ich während der letzten Tage zu Besuch war. In dieser Zeit hatte ich ein kleines Fläschchen mit Tabletten gefunden, das Dr. Bowman der Verstorbenen am Tag ihres Todes gegeben hatte. Ich brachte das Fläschchen ins Toxikologie-Labor, wo Dr. Smitham einen vorläufigen Test durchführte und auch in diesem Fläschchen Tetrodotoxin nachweisen konnte. In diesem Moment führt er gerade den ausführlichen, endgültigen Test durch.«
»Okay!«, sagte Richter Davidson. Er rieb sich kurz die Hände und sah zur Protokollführerin hinüber. »Unterbrechen Sie hier das Protokoll, bis wir wieder in den Gerichtssaal zurückgehen.« Dann lehnte er sich zurück, was seinen alten Stuhl zum Quietschen brachte. Seine Züge nahmen einen grimmigen, aber nachdenklichen Ausdruck an. »Ich könnte eine Vertagung anordnen, damit diese ganzen neuen Informationen ein ordentliches Beweiserhebungsverfahren durchlaufen können, aber das wäre nicht sonderlich sinnvoll. Hier handelt es sich nicht mehr um eine zivilrechtlich zu belangende Fahrlässigkeit, sondern um Mord. Ich sage Ihnen, was ich tun werde, Gentlemen. Ich werde auf ein fehlerhaftes Verfahren erkennen. Dieser Fall muss dem Staatsanwalt übergeben werden. Irgendwelche Fragen?« Er musterte sein Publikum, und sein Blick blieb an Tony hängen. »Machen Sie nicht so ein missmutiges Gesicht, Mr Fasano. Sie können sich an der Gewissheit erfreuen, dass die Gerechtigkeit siegt, und außerdem kann Ihr Mandant immer noch auf Schadenersatz wegen schuldhaft verursachten Todes klagen.«
»Aber die Versicherung ist jetzt aus dem Schneider«, schnaubte Tony.
Der Richter sah Jack an. »Das war eine vorbildliche Ermittlung, Doktor.«
Jack nickte nur als Reaktion auf das Kompliment. Er hatte nicht das Gefühl, es zu verdienen. Seine schockierenden Erkenntnisse offenbaren zu müssen, war qualvoll für ihn, denn er wusste, was das für Alexis und ihre Töchter bedeutete. Sie würden langwierige Ermittlungen und einen neuen Prozess mit entsetzlichen Folgen durchstehen müssen. Es war eine Tragödie für alle
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