Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Autopsie durchführen. Abgesehen von rein moralischer Unterstützung ist das wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, wie ich euch in dieser Angelegenheit helfen kann. Aber diese Entscheidung liegt ganz bei euch.«
Alexis sah Craig an. »Was meinst du?«, fragte sie.
Craig schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich meine, falls sich durch eine Autopsie herausstellen sollte, dass sie an einem schweren angeborenen Herzfehler gelitten hat, so dass es überhaupt nicht von Bedeutung war, ob sie verspätet ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wäre ich voll und ganz dafür. Aber wie stehen dafür die Chancen? Vermutlich nicht besonders gut. Und wenn andererseits bei einer Autopsie herauskäme, dass ihr Myokardinfarkt noch schwerer war, als wir gedacht hatten, könnte sie meine Lage sogar noch verschlimmern. Die Idee scheint ebenso viele Vorteile wie Nachteile zu haben.«
»Ich mache euch einen Vorschlag«, entgegnete Jack. »Ich werde mich erst einmal informieren und alle Einzelheiten klären und sage euch dann Bescheid. In der Zwischenzeit könnt ihr beide euch das Ganze durch den Kopf gehen lassen. Was haltet ihr davon?«
»Hört sich gut an«, antwortete Alexis. Sie sah Craig an.
»Warum nicht?«, entgegnete dieser achselzuckend. »Ich war schon immer der Meinung, dass zusätzliche Informationen nie schaden können.«
Kapitel 8
Boston, Massachusetts
Dienstag, 6. Juni 2006
09.28 Uhr
B itte erheben Sie sich!«, rief der Gerichtsdiener, als Richter Marvin Davidson aus dem Richterzimmer kam und die Stufen zum Richtertisch emporstieg. Die schwarze Robe verhüllte seine Füße, so dass er wie ein Geist zu gleiten schien. »Nehmen Sie Platz«, rief der Gerichtsdiener, nachdem sich der Richter niedergelassen hatte.
Jack blickte hinter sich, damit er beim Hinsetzen nicht seinen Starbucks-Kaffee umzustieß. Zuvor hatte er bemerkt, dass außer ihm niemand etwas zu trinken in den Gerichtssaal mitgebracht hatte, und so hatte er den Kaffee schuldbewusst neben sich auf der Bank verschwinden lassen.
Er saß neben Alexis im dicht gefüllten Zuschauerbereich. Er hatte sie gefragt, warum so viele Beobachter gekommen seien, aber sie hatte gesagt, sie habe nicht die geringste Ahnung. Fast alle Zuschauerplätze waren belegt.
Der Morgen im Haus der Bowmans war besser gelaufen, als Jack erwartet hatte. Obwohl Craig schließlich recht abrupt wieder in sein dumpfes Brüten verfallen war, hatten sie zumindest eine ehrliche Aussprache geführt, und Jack fühlte sich nun sehr viel wohler als Gast in ihrem Haus. Nachdem die Mädchen zur Schule gefahren waren, hatten sie sich noch weiter unterhalten, auch wenn das Gespräch sich weitgehend auf Alexis und Jack beschränkt hatte, da Craig nur missmutig grübelnd danebensaß.
Es hatte eine lange Diskussion über die Fahrt in die Stadt und zurück nach Hause gegeben, aber schließlich hatte Jack darauf bestanden, selbst zu fahren. Er wollte in den Gerichtssaal kommen und sich einen Eindruck von den Beteiligten, vornehmlich den Anwälten, verschaffen. Im Laufe des Vormittags plante er ins Bostoner rechtsmedizinische Institut zu fahren, wo er sich über die in Massachusetts geltenden Vorschriften bezüglich einer Exhumierung informieren wollte. Was er danach tun würde, wusste er noch nicht. Er hatte ihnen gesagt, dass er vielleicht in den Gerichtssaal zurückkommen würde, wenn nicht, wollte er am späten Nachmittag in ihrem Haus in Newton wieder zu ihnen stoßen.
Während der Richter sich Zeit ließ und vor Beginn der eigentlichen Verhandlung die üblichen Verfahrensanträge klärte, musterte Jack die wichtigsten Akteure. Der afroamerikanische Richter sah aus wie ein aus der Form geratener ehemaliger College-Football-Spieler, doch die Autorität, die er durch seine selbstbewusste Besonnenheit ausstrahlte, mit der er den Papierkram auf seinem Tisch erledigte und sich leise mit dem Gerichtsbeamten unterhielt, vermittelte Jack das beruhigende Gefühl, dass er wusste, was er tat. Die beiden Anwälte waren genau so, wie Alexis sie beschrieben hatte. In seiner ganzen Art, sich zu kleiden, sich zu bewegen und zu reden, verkörperte Randolph Bingham den Inbegriff des eleganten, kultivierten Anwalts aus einer großen Kanzlei. Tony Fasano hingegen war der unverschämte, großspurige junge Anwalt, der seine modische Kleidung und seinen klobigen Goldschmuck zur Schau stellte. Doch was Jack als Erstes an ihm auffiel – etwas, das Alexis gar
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