Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
schon mit ihren Patienten im Krankenwagen in die Notaufnahme? Ich kann Ihnen sagen, nicht viele. Dass er verklagt wurde, ist einfach lächerlich. Es ist doch ein Zeichen dafür, dass etwas schiefläuft in unserem System, wenn solche Aasgeier wie dieser Anwalt, ich kann mich an seinen Namen nicht mehr erinnern, einfach über Ärzte wie Dr. Bowman herfallen können.«
»Tony Fasano«, half Jack aus. Er freute sich, zu hören, dass jemand der gleichen Ansicht war wie er, auch wenn er sich fragte, ob Georgina die pikante Seite von Craigs Geschichte gehört hatte, vor allem da Leona ihn in jener verhängnisvollen Nacht in die Notaufnahme begleitet hatte.
»Genau, das war’s: Tony Fasano. Als er zum ersten Mal hier herumgeschnüffelt hat, dachte ich, er wäre ein Statist aus einem Gangsterfilm. Ehrlich. Ich meine, ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Typ tatsächlich echt war. Hat er wirklich Jura studiert?«
Jack zuckte die Achseln.
»Na ja, auf jeden Fall nicht in Harvard, das kann ich Ihnen versichern. Wie auch immer, ich glaube kaum, dass er mich in den Zeugenstand rufen wird. Ich habe ihm ganz genau erklärt, was ich von Dr. Bowman halte. Ich finde, er hat großartige Arbeit geleistet. Er hat sogar ein tragbares EKG-Gerät und hatte auch schon auf Biomarker getestet, bevor sie hier in der Notaufnahme ankamen.«
Jack nickte. Das alles hatte er schon in der Mitschrift ihrer Aussage gelesen, in der sie Craig überschwänglich lobte.
Als sie verstummte, sagte Jack: »Worüber ich eigentlich mit Ihnen beiden reden wollte, war die Zyanose.«
»Welche Zyanose?«, fragte Dr. Matt Gilbert. Es waren seine ersten Worte. Seine ruhige Art hatte gegen Georginas Lebhaftigkeit kaum eine Chance.
»Du erinnerst dich doch an ihre Zyanose, du Dussel«, entgegnete Georgina, ehe Jack antworten konnte, und versetzte Matt einen spielerischen Klaps auf die Schulter. »Sie war blau wie ein Veilchen, als sie sie hereinbrachten.«
»Ich glaube nicht, dass dieser Ausdruck etwas mit der Farbe zu tun hat«, bemerkte Matt.
»Nicht?«, fragte Georgina. »Sollte er aber.«
»Erinnern Sie sich nicht mehr an die Zyanose?«, fragte Jack Matt.
»Vage, schätze ich, aber ihr Allgemeinzustand hat alles andere überlagert.«
»Sie haben sie in Ihren Aufzeichnungen als ›zentrale Zyanose‹ beschrieben«, wandte sich Jack an Georgina. »Gab es dafür einen bestimmten Grund?«
»Natürlich! Sie war über und über blau, nicht nur ihre Finger oder Beine. Ihr ganzer Körper war blau, bis sie ihr mit dem Beatmungsgerät Sauerstoff verabreicht haben und mit der Herzmassage anfingen.«
»Was könnte denn Ihrer Meinung nach der Grund dafür gewesen sein?«, fragte Jack. »Glauben Sie, es könnte an einem Rechts-links-Shunt oder einem schweren Lungenödem gelegen haben?«
»Über einen Shunt kann ich nichts sagen«, antwortete Matt. »Aber sie hatte definitiv kein Lungenödem. Ihre Lungen waren frei.«
»An eines erinnere ich mich«, sagte Georgina plötzlich. »Ihre Muskeln waren vollkommen schlaff. Als ich einen neuen IV-Katheter gelegt habe, fühlte sich ihr Arm an, als gehörte er einer Stoffpuppe.«
»Ist das Ihrer Erfahrung nach ungewöhnlich?«, fragte Jack.
»Ja«, antwortete Georgina. Sie sah zur Bestätigung zu Matt hinüber. »Normalerweise gibt es etwas Widerstand. Ich vermute, das hängt vom Grad des Bewusstseins ab.«
»Sind einem von Ihnen petechiale Blutungen in den Augen oder seltsame Male in ihrem Gesicht oder am Hals aufgefallen?«
Georgina schüttelte den Kopf. »Mir nicht.« Sie schaute Matt an.
»Ich war zu besorgt über ihren Allgemeinzustand, um auf solche Einzelheiten zu achten«, sagte Matt.
»Warum fragen Sie?«, wollte Georgina wissen.
»Ich bin Rechtsmediziner«, erklärte Jack. »Ich bin darauf trainiert, skeptisch zu sein. Bei jedem plötzlichen Tod in Verbindung mit einer Zyanose müssen Ersticken oder Strangulation zumindest in Betracht gezogen werden.«
»Das ist ja mal ein ganz neuer Ansatz«, sagte Georgina.
»Ein Biomarker-Test hat den Herzinfarkt bestätigt«, bemerkte Matt.
»Ich bezweifle ja gar nicht, dass sie einen Myokardinfarkt hatte«, entgegnete Jack. »Aber mich interessiert, ob er durch etwas anderes als einen natürlichen Vorgang ausgelöst wurde. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Ich hatte einmal den Fall einer Frau, wenn auch ein paar Jahre älter als Mrs Stanhope, die unmittelbar, nachdem sie mit vorgehaltener Waffe ausgeraubt worden war, einen Herzinfarkt erlitten hatte.
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