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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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in einer Welt von Kuratoren, Künstlern und Architekten. Hancock dachte daran, was Stout ihm bei einer ihrer ersten gemeinsamen Fahrten gesagt hatte: Ein Fachmann und Perfektionist stellt zuerst seine Analyse an und trifft erst dann seine Entscheidung. 117 Hancock war froh, dass Stout dabei war, denn der wusste immer, was zu tun war. Er würde die Entscheidungen treffen und die Verantwortung übernehmen. Den Oberst konnte er mitnehmen oder auch zu Hause lassen; er war nichts weiter als ein Aufschneider aus dem Innendienst, ein Mann, der die Soldaten gegen sich aufbrachte, aber wenn man sich dazu bereit erklärte, ihn auf einen Ausflug an die Front mitzunehmen, konnte man immerhin mit einem geschlossenen Dienstwagen fahren anstatt mit einem gefährlichen tonnenschweren Lastwagen. Nach mehreren Monaten im Feld kam sich Hancock wie der Chauffeur einer Limousine vor.
    »Da ist sie«, sagte der Oberst. »Wurde auch verdammt Zeit.«
    Die Befehlsstelle wirkte behelfsmäßig; ein klappriges Bauernhaus aus Holz in einem schlammigen Hof. Alliierte Flugzeuge dröhnten über ihren Köpfen, als Hancock die Bremse anzog. Die Luft war schwer von Rauch und Staub. Die Kampflinie schien etwas näher als am Vortag. Vielleicht ist der Beschuss auch nur stärker, dachte Hancock, als die schweren Geschütze donnerten und er hörte, wie Granaten detonierten. Das war eindeutig kein Ort für Kunst – oder für einen Monuments Man. Hancocks Plan war einfach: Er wollte das Kunstwerk holen und wieder abfahren.
    Stout hatte andere Vorstellungen.
    »Sie machen die Aufzeichnungen«, sagte er zu Hancock, als er sich nach einer Welle von Einschlägen um sie herum vor das Gemälde kniete. 118 Behutsam strich er mit den Fingern über die Oberfläche, wie ein Blinder, der einen alten Freund begrüßt. »Kirmes«, sagte er fest. »Flandern, 16. Jahrhundert, aus der Werkstatt von Pieter Breughel dem Älteren.« 119
    Ich hab’s gewusst, dachte Hancock. »Werkstatt« bedeutete, dass der Meister bei dem Bild zumindest beratend zur Seite gestanden, wenn nicht sogar Teile selbst gemalt hatte.
    Stout drehte das Bild um. »Unterlage: Eichenholz.« Er holte sein Maßband hervor. »0,84 Meter mal ... 1,2 Meter mal ... 0,004 Meter. Drei Elemente mit gleicher Breite, die in der Horizontalen zusammenlaufen.«
    Detonierende Granaten erschütterten die Deckenbalken, dadurch löste sich lockerer Putz, und Staub wurde durch den Raum gewirbelt. Durch das Fenster sah Hancock, dass der Oberst auf einem Trümmerhaufen stand und das Gefecht durch das Fernglas verfolgte.
    »Rahmen: flach, sieben in der Länge, Eiche, zehn in der Diagonalen, Fichte. Mehrfach verzogen. Leicht wurmstichig. Abgebrochene untere Ecken. Zur selben Zeit geschliffen, als der Rahmen angebracht wurde.«
    Stout drehte das Bild abermals um und untersuchte das Gemälde. Zuerst die Analyse, dachte Hancock, dann die Entscheidung. Stout überstürzte nichts. Er stellte nie Mutmaßungen an. Er handelte nie aus Angst oder Unwissenheit, wenngleich Hancock wünschte, dass er es dieses eine Mal tun würde.
    »Untergrund: weiß, sehr dünn. Zerbrochen und flockig, schwach, geknickt: unten mäßig, im oberen Bereich stark.«
    Hancock bemerkte, dass sich vor dem Fenster mehrere Männer versammelten. Es waren Infanteristen, junge Soldaten, die von der Schule weg einberufen worden waren, Männer, die als Erste in den Kampf geschickt werden würden. Seit Monaten lagen sie unter Feuer, waren mit Minen, feindlichen Gegenangriffen und Granatenbeschuss konfrontiert. Sie wuschen sich mit Wasser aus ihren Helmen oder überhaupt nicht, sie aßen aus Blechdosen und putzten die Löffel an ihren Hosen ab. Ihre unterkunft war zerstört worden, daher legten sie sich nieder, wo immer sie ein bequemes Plätzchen finden konnten. Hancock wollte etwas zu ihnen sagen, ihnen für etwas danken, aber Stout ergriff jetzt wieder das Wort.
    »Farbe: Öl, schwer, mit einem lichtdurchlässigen Film an dunklen Stellen, darunter stellenweise monochrome Zeichnung sichtbar.«
    Draußen stieß der Oberst einen Jubelschrei aus, entzückt über sein erstes Kriegserlebnis. Drinnen beugten sich zwei Monuments Men im schwachen Licht einer gerade gelieferten Lampe über ein 400 Jahre altes Bild. Der eine kniete auf dem Boden und untersuchte die Oberfläche des Gemäldes wie ein Archäologe ein altägyptisches Grab oder ein Mediziner einen Verwundeten. Der andere stand gebückt hinter ihm und konzentrierte sich auf seine Notizen. Die müden und

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