Monuments Men
vergangenen Wochen so häufig gesprochen hatte, wurde zum ersten Mal seit fast 150 Jahren in Paris öffentlich ausgestellt. Rorimer hatte General Rogers vor zwei Wochen zur Eröffnungszeremonie begleitet; jetzt war er wieder hier und schlenderte durch die Hallen. Das Herz von Paris hatte wieder zu schlagen begonnen, und Rorimer war ein klein wenig stolz darauf, dass auch er selbst einen Beitrag dazu geleistet hatte.
Diese Ermutigung war auch nötig, denn in seinen übrigen Aufgabenbereichen bewegte sich nicht viel. Oberflächlich wirkte Paris majestätisch und unverwüstlich, darunter allerdings hatten die Besatzer Katakomben des Raubs und der Zerstörung ausgehoben. Die französischen Nationalsammlungen hatten dank der Raffinesse von Jacques Jaujard und des »guten« Deutschen Franz Graf von Wolff-Metternich bewahrt werden können, aber die privaten Sammlungen waren geplündert worden. Vor dem Krieg hatte sich der Großteil des künstlerischen Reichtums von Paris in den Händen bekannter Bürger und Kunsthändler befunden – der Familien Rothschild, David-Weill, Rosenberg, Wildenstein, Seligman, Kann – allesamt jüdischer Herkunft. Unter der deutschen Besatzung durften Juden kein Eigentum mehr besitzen, daher wurden die Sammlungen vom deutschen Staat »beschlagnahmt«. Nachdem sich die Plünderer diese Sammlungen angeeignet hatten, griffen die Konfiskationen auf die niedere jüdische Aristokratie über, dann auf die jüdische Mittelschicht, und schließlich wurden alle davon heimgesucht, die einen jüdisch klingenden Namen hatten – oder etwas besaßen, das die Gestapo haben wollte. All dies entwickelte sich zu einer Massenplünderung, als Gestapo-Leute Haustüren aufbrachen und alles wegschleppten, was einen gewissen Wert darstellte – Kunstwerke, Tische, sogar Matratzen. Jaujard schätzte, dass insgesamt 22 000 künstlerisch wertvolle Objekte geraubt worden waren.
Bislang hatte Rorimer noch fast gar keine Informationen über diese Objekte auftreiben können. Die Besatzer hatten auch sämtliche Verzeichnisse mitgenommen oder zerstört. Die meisten Opfer waren geflohen oder in Arbeitslagern verschwunden. Zeugen wollten nicht reden. Die Terrorwelle der Rachsucht war mittlerweile abgeklungen – jungen Frauen wurden nicht mehr in der Öffentlichkeit zwangsweise die Haare abgeschnitten, und es gab auch keine standrechtlichen Hinrichtungen vermeintlicher Kollaborateure mehr –, aber das Vertrauen in die neue Ordnung war noch gefährlich gering. Es gab noch zu viele Risiken und nicht genügend Anreize, zumindest bis jetzt, um jemanden zur Aussage zu bewegen. Nach Meinung der meisten gewöhnlichen Pariser war es am besten, den Champagner der Siegesfeiern zu trinken und ansonsten den Mund zu halten.
Dem französischen Museumsestablishment erging es nicht viel besser. Das erste Treffen einer Gruppe, die sich Commission de Récupération Artistique (Kommission zur Wiederbeschaffung von Kunstwerken) nannte, hatte am 29. September 1944 stattgefunden. Leiter dieser Kommission war Albert Henraux, der Kunstmäzen und einer von Jacques Jaujards wichtigsten Kontaktleuten in der Résistance. Sekretärin war Rose Valland, die stellvertretende Leiterin des Museums Jeu de Paume. Dies zeigte Rorimer eindeutig, dass unabhängig davon, wer die Leitung innehatte, sein Freund Jaujard weiterhin über beträchtlichen Einfluss verfügen würde. Aber dennoch war die Kommission erst vor zwei Tagen, am 24. November, von der Regierung formell anerkannt worden. Soweit Rorimer wusste, hatte sie bei der Wiederbeschaffung von Kunstwerken bislang noch keine großen Fortschritte gemacht.
Daher suchte Rorimer am Ende seiner Tour durch den Louvre – wahrscheinlich der erste Nachmittag, den er nach seiner Ankunft in Paris mit der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten verbracht hatte – seinen alten Freud in dessen Büro auf. Die Türen sollten gleich geschlossen werden, die letzten Besucher wurden aus dem Museum geleitet, aber Jaujard saß wie immer noch an seinem Schreibtisch. Der Mann war unermüdlich.
»Ein bemerkenswerter Erfolg«, sagte Rorimer, womit er auf die Wiedereröffnung anspielte. Die Menschen stellten sich an und warteten stundenlang in der Schlange, um den Teppich von Bayeux sehen zu können, obwohl der Eintritt zehn Franc kostete; nur Militärangehörige hatten freien Eintritt.
»Die Leute sind froh, dass es hier wieder eine Ausstellung gibt«, erwiderte Jaujard. »Das ist ein wichtiger Schritt.«
»Aber dennoch versteht
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