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Monuments Men

Monuments Men

Titel: Monuments Men Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert M. Edsel
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erkannte, dass sie sich nun im Inneren einer der großen Steinmauern befanden. Der Pfarrer hatte ein paar Stühle in eine kleine Aushöhlung gestellt und bedeutete Hancock, er solle auf einem der Stühle Platz nehmen. Erst jetzt bemerkte Hancock, wie sehr der Mann bebte.
    »Sechs Jungen«, sagte der Geistliche in gebrochenem Englisch, »zwischen 15 und 20 Jahren. Unsere Feuerwehrleute. Achtmal haben sie Feuer auf dem Dach gelöscht und dadurch den Dom gerettet. Sie sind von Ihren Soldaten ins Lager nach Brand gebracht worden. Jetzt gibt es niemanden mehr für die Pumpen und die Wasserschläuche. Eine Granate, und der Dom könnte verloren sein.«
    Das matte Licht der Laterne warf Schatten auf das müde Gesicht des Mannes. In einer Ecke bemerkte Hancock eine alte Matratze und Reste von Lebensmitteln, von denen der Geistliche gelebt hatte, seit vor sechs Wochen der Beschuss begonnen hatte. »Es sind gute Jungen«, sagte er. »Ja, sie haben der Hitlerjugend angehört, aber« – er zeigte auf sein Herz – »sie waren nicht davon überzeugt. Sie müssen sie zurückbringen, bevor es zu spät ist.« 113
    Hancock wusste nicht, ob er meinte, dass es für die Jungen oder für den Dom zu spät sein könnte, aber in jedem Fall hatte der Geistliche recht. Er notierte ihre Namen: Helmut, Hans, Georg, Willi, Carl, Niklaus – allesamt Deutsche. 114 Hancock wusste aber sehr wohl, dass nicht alle Deutschen Nazis gewesen waren oder Untaten verübt hatten.
    »Wie können Sie für sie sorgen?«, fragte er. In der Stadt gab es keine Lebensmittel, keinen Strom, kein fließendes Wasser, es fehlte an jeglicher Grundversorgung.
    »Sie werden hier schlafen. Wir haben Wasser und das Nötigste. Und was das Essen betrifft ...«
    »Ich könnte Ihnen etwas beschaffen«, sagte Hancock.
    »Wir haben einen Keller, wo wir es frisch halten können.«
    Die Erwähnung des Kellers brachte Hancock auf einen neuen Gedanken. Der Aachener Dom war berühmt für seinen Domschatz – die aus Gold und Silber gefertigte Büste Karls des Großen, die einen Teil von dessen Schädel birgt; das mit Edelsteinen und Perlen besetzte Vortragekreuz von Lothar II., das mit der Kamee versehen ist, die Kaiser Augustus zeigt; sowie viele weitere Reliquien. Er hatte noch nichts davon gesehen.
    »Wo sind die Domschätze, Herr Pfarrer? Befinden sie sich in der Krypta?«
    Der Geistliche schüttelte den Kopf. »Die Nazis haben sie mitgenommen. Als Schutzmaßnahme.«
    Hancock hatte schon genug über diese »Schutzmaßnahmen« gehört, sodass es ihn bei diesen Worten schauderte. »Und wohin?«, fragte er.
    Der Pfarrer zuckte mit den Schultern. »Nach Osten.«

17

EIN AUSFLUG AN DIE FRONT
    Östlich von Aachen
Ende November 1944
    Der geschlossene Dienstwagen rumpelte über die schlammige, von Löchern übersäte Straße. Am Steuer saß der Monuments Man Walker Hancock. Es war Ende November 1944, knapp einen Monat nachdem Hancock nach Aachen gekommen war und sich über den Zustand des Doms informiert hatte. Mit ihrem früheren Vormarschtempo hätte die 1. US-Armee jetzt bereits den halben Weg nach Berlin zurückgelegt haben müssen, aber in den dichten, nebligen Wäldern östlich von Aachen war sie aufgehalten worden. Die Amerikaner kamen jetzt nur noch einige Meter am Tag voran, nicht mehr Kilometer, und mussten gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen, der sich eingegraben hatte. Und als wäre das noch nicht schlimm genug gewesen, hatte jetzt auch die Kälte des Winters eingesetzt, und dieser Winter sollte später als der kälteste in der jüngeren Geschichte Nordwesteuropas bezeichnet werden. Selbst auf den besterhaltenen Straßen, und diese zählte zweifellos nicht dazu, füllte Eis die Fahrspuren und lauerte tückisch an den Rändern der Kurven.
    »Vorsichtig«, sagte der Oberst auf dem Beifahrersitz. »Wenn ich hier draußen sterben sollte, dann durch deutsche Granaten und nicht durch irgendeinen Autounfall.« Auf dem Rücksitz saß George Stout, der jedoch, wie Walker Hancock bemerkt hatte, nicht einmal geblinzelt hatte.
    Von den Granaten ging tatsächlich Gefahr aus. Der beste Beweis dafür war das Loch im Kommandozentrum in Kornelimünster, das erst vor zwei oder drei Tagen entstanden war. Neben dem Loch hing ein Plakat, auf dem stand: »Wer diese Räume betreten hat, kann sagen, dass er an der Front war.« 115 Als sie in Büsbach ankamen, rechnete Hancock aus, dass Kornelimünster knapp fünf Kilometer hinter ihnen lag. Dies hier war tatsächlich die Front. Gestern, bei

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