Monuments Men
Eisenhower in Versailles mit Objekten aus dem Palast und dem Louvre ausgestattet worden war. Jaujard, der vornehme Direktor der französischen Museen und der Held des Louvre, wusste Bescheid über diese »Leihgaben«, aber er hatte dies hingenommen, um die Zusammenarbeit mit den Alliierten nicht zu gefährden. Rorimer fuhr nach Versailles – Eisenhowers Büro befand sich in einem Haus in der Stadt, nicht im Palast – und fand dort Soldaten vor, die Möbel schleppten. Ein wunderschöner Regency-Tisch stand auf einem alten Perserteppich aus dem Mobilier National. Eine Terracotta-Statue war in eine Ecke geschoben worden, während Gemälde und Radierungen aus dem Museum des Versailler Palasts an der Wand lehnten.
Der diensthabende Offizier, der den schönen Namen O. K. Todd trug, hatte die Gegenstände persönlich ausgesucht und wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sich beim Oberkommandierenden ein wenig einzuschmeicheln. Als Rorimer mit ihm zu diskutieren begann, verließ Todd einfach den Raum und rief Oberst Brown, den Kommandeur von Eisenhowers Hauptquartier. Rorimer hatte auch mit ihm gestritten: Es sei unpraktisch, kostspielig, und die Objekte seien ungeschützt. War das nötig? War es klug? »Für General Eisenhower würde es zu einer persönlichen Blamage kommen«, hatte Rorimer erklärt, »wenn herauskommen sollte, dass er entgegen seinen ausdrücklichen Anweisungen ungeschützte Kunstobjekte für militärische Zwecke verwendete.« Und würde es denn kein gefundenes Fressen für die deutschen Propagandaoffiziere sein, wenn sie erführen, dass der General einige Kunstgegenstände aus Versailles für seinen persönlichen Gebrauch zweckentfremdet habe? 123
Damit war er zu weit gegangen. »Fragen wir General Rogers, was er dazu meint«, erwiderte Brown unwirsch, griff zum Telefonhörer und rief Rorimers Vorgesetzten an. 124
Wie es der Zufall wollte, war Rogers gerade nicht erreichbar. Oberst Brown wollte nicht warten. Am nächsten Morgen wurden die Kunstobjekte zurückgebracht. O. K. Todd erhielt ein Dankschreiben von der Stadt Versailles für diese uneigennützige Handlung. Eisenhower, der ein paar Tage später ankam, erschien selbst das leer geräumte Büro als zu groß und zu protzig, daher ordnete er den Einbau einer Trennwand an und überließ die andere Hälfte des Raums seinen Sekretärinnen. Am Ende war dies nur eine kleine Episode, eine Belanglosigkeit vielleicht, aber wenn es schlecht gelaufen wäre, hätte es Rorimer seinen Job kosten können. Und das war das Problem: Es gab zu viele Leute, denen man auf die Füße treten konnte, zu viele Eitelkeiten, denen Rechnung getragen werden musste. Und man verlor dabei viel zu viel Zeit. Es war fast so frustrierend wie die Arbeit im Museum!
Rorimer verscheuchte diese Gedanken. Er hatte den vergangenen Monat zum großen Teil in der Region Île-de-France verbracht, in einigen alten Landschlössern im Umkreis von Paris. Die großen Räume vieler Schlösser waren rußgeschwärzt, weil weder die Deutschen noch die Amerikaner wussten, wie man mit den alten Feuerstätten umging. Vier verliebte amerikanische Soldaten hatten jungen Frauen aus einem Dorf wichtige Gemälde geschenkt. In Dampierre hatten die Deutschen vor dem Goldenen Zeitalter, einem der berühmtesten französischen Wandgemälde, eine Cocktailbar eingerichtet. Aber insgesamt war es eine erfolgreiche Reise gewesen. Die Beschädigungen hielten sich sehr in Grenzen; die Stimmung war immer noch gut. Eine andere Geschichte aus Dampierre konnte als Sinnbild für die momentane Situation dienen: Die Deutschen hatten die berühmten Bossuet-Briefe aus der Bibliothek als Toilettenpapier verwendet, aber nach ihrem Abzug entdeckte der Hausmeister sie im Wald, reinigte sie und brachte sie zurück in die Bibliothek. Das war echtes Engagement, ein Dienst an der Kunst!
Überhaupt bestand kein Grund zum Verdruss. Es war der 26. November 1944 – der Sonntag nach dem Thanksgiving-Feiertag in Amerika –, und James Rorimer hatte vieles, wofür er dankbar sein konnte. Nach wochenlangen Forderungen, Diskussionen und Gesuchen waren endlich die Militärlastwagen aus dem Jardin des Tuileries abgezogen worden, und der Garten war offiziell wieder für das Publikum geöffnet. Und mittlerweile war auch der Louvre wieder offen. Man hörte wieder Stimmen, wo zwei Monate vorher noch Rorimers Schritte das einzige Geräusch gewesen waren. Der Teppich von Bayeux, über den er mit dem Louvre-Direktor Jacques Jaujard in den
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