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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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schob sie weiter, drängte sie, keine Zeit zu verlieren.
    »Mr. Childes, Mr. Childes, sind Sie das?« erhob sich eine atemlose Stimme irgendwo in ihrer Mitte.
    Eine Gestalt, größer als die anderen, schob sich heran. Wie die Schülerinnen trug auch sie nur ein Nachthemd, doch sie hielt zusätzlich noch einen Morgenmantel an sich gepreßt, wie zum Schutz gegen die zunehmende Hitze. Gänzlich unpassend dazu trug sie normale Wanderschuhe mit flachen Absätzen. Einen Moment lang nahm er an, dies sei die Leiterin des La Roche, aber gleich darauf erkannte er Harriet Vallois, die Geschichtslehrerin und eine der Hausaufseherinnen.
    »Sind alle Mädchen aus ihren Zimmern rausgekommen?« fragte er und gab sich alle Mühe, das Lärmen der Alarmsirenen und der verängstigten Mädchen zu übertönen; einige der Mädchen husteten und preßten sich die Hände vor den Mund, um sich vor der schlechter werdenden Luft zu schützen.
    »Die Hausmutter und Miss Todd sehen nach«, gab die Lehrerin zurück, und das Beben ihrer Lippen verriet, daß auch sie den Tränen nahe war. »Sie haben mich mit dieser Gruppe hinuntergeschickt.«
    Er ergriff ihre Schulter, mehr um sie zu beruhigen, als zum Trost. »Ist Miss Piprelly bei ihnen?«
    »Nein, Ich war an ihrer Zimmertür und habe geklopft, aber es kam keine Antwort. Ich nahm an, sie sei direkt zu den Schlafräumen hinausgegangen, aber... da war keine Spur von ihr!«
    Das brennende Etwas unten im Korridor!
    Childes spürte ein verzweifeltes Würgen im Hals. Genausogut hätte es die Leiche des Brandstifters sein können, der ein Opfer seines mörderischen Triebes, der eigenen Falle geworden war. Er konnte nicht wirklich sicher sein, daß es Estelle Piprelly gewesen war, ein zischender, brodelnder Klumpen geschwärzten Fleisches... Er konnte nicht wirklich sicher sein, aber irgendwie war er es doch, irgendwie hatte er keine Zweifel daran. Estelle Piprelly war tot.
    Harriet Vallois spähte verzweifelt die Treppe hinauf.
    »Bringen Sie die Mädchen raus!« herrschte er sie an und verstärkte seinen Griff an ihrer Schulter. Der jähe Schmerz brachte sie wieder zur Besinnung.
    »Bringen Sie die Kinder raus!« wiederholte er, zog sie nach vorn und drückte ihr das Mädchen in die Arme, das sich noch immer an ihm festklammerte. »Sorgen Sie dafür, daß alle zusammenbleiben. Niemand darf stehenbleiben.« Dann, dichter an ihrem Ohr: »Sie haben nicht mehr viel Zeit.«
    Ihre Bestürzung wuchs. »Wollen Sie mir denn nicht helfen?« flehte sie.
    O doch, mehr als alles in der Welt, liebend gern - liebend gern hätte er sie und die Mädchen fortgeführt von diesem Ort des drohenden Todes, hinaus aus diesem Gebäude, in dessen Erdgeschoß eine jämmerlich verkohlte Leiche im Hauptkorridor lag, wo allein Gott-weiß-was vielleicht noch immer die Gänge durchstreifte und wo gierige Flammen an den Eingeweiden des Bauwerks selbst fraßen,
    »Sie schaffen es allein«, redete er ihr zu. »Es ist nicht mehr weit. Ich muß hoch zu den anderen und ihnen helfen.«
    Er versetzte ihr einen sanften, aber nachdrücklichen Stoß und streckte die Hand nach dem nächsten Mädchen aus, um es ebenfalls zur Eile anzutreiben. Die anderen folgten rasch, und er ermahnte sie, sehr darauf zu achten, wohin sie traten. Jede sollte beim Weitergehen auf die andere vor sich achten. Er schätzte, daß mindestens dreißig Mädchen an ihm vorbeigekommen waren; nach und nach kamen weitere. Childes hatte keine Ahnung, wie viele von La Roches dreihundert Schülerinnen hier im Internat wohnten, aber er nahm an, daß es nur rund sechzig waren. Abgesehen von Estelle Piprelly waren nachts nur zwei Lehrkräfte und die Hausmutter für die Mädchen verantwortlich. Er hastete weiter nach oben, und er holte das Letzte aus sich heraus. Die Anstrengung wurde ungeheuerlich, die Luft war kaum mehr zu atmen.
    Je höher er kam, desto dicker wurde der träge dahinwal-zende Rauch. Die rußigen Dämpfe waren jetzt wie heimtückische Kundschafter, die für ihre unheimliche Herrin, die sengende Glut, den Weg erforschten... Aber sie waren auch eine Warnung in letzter Minute. Hier oben war der grollende Widerhall des Feuers selbst viel lauter, und tief im Herzen des Infernos krachten Balken wie Gewehrschüsse. Und über all dem heulten die Alarmsirenen und erzeugten ihre eigene, ganz besondere Panik.
    Er würgte, und vor seinen Augen tanzten Glutpunkte. Hastig zerrte er sein Taschentuch heraus und hielt es sich vor den Mund. Weitere Mädchen wankten heran, und ihre

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