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Moon

Moon

Titel: Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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gleichzeitig wußte, daß das nur eine Sinnestäuschung war. Sie schälte sich nicht wirklich ab, sie zog sich nur fest um seine Knochen zusammen, sie platzte nicht auf, es war nur ein Gefühl! Er prallte im Laufen gegen die Wand, stieß wieder ab, zog die zusammengebundenen Laken hinter sich her.
    Dann war Childes auf der Empore; ein weiter Bereich über der Haupttreppe bestand nur noch aus Flammen; es gab keinen Parkettboden mehr. Über ihm fegten seltsam wogende Feuerwellen über die Decke.
    Das Geländer der Balustrade ließ sich nicht mehr berühren: Holz und Metallstreben, alles war nur noch ein brennendes Knäuel inmitten eines größeren Feuers. Durch gelegentlich auftauchende Lücken in dem Flammenvorhang konnte er Teile der Treppe sehen.
    Nur - da war keine Treppe mehr. Da waren nur noch brennende Holzstummel, die aus der Wand ragten. Es gab auch keinen Treppenabsatz mehr. Das vulkanische Höllenfeuer hatte alles verschlungen.
    Childes machte sich auf den Rückweg zum Schlafraum; er war wie betäubt, und Leere machte sich in ihm breit. Jedes Empfinden, sogar seine Tränen, alles war buchstäb-lich aus ihm herausgebrannt worden. Beißende Rauchwirbel nahmen ihm die Sicht. Die drei zusammengeknoteten Bettlaken lagen weit hinter ihm im Korridor, dort, wo er sie hatte fallengelassen - sie gingen in Flammen auf. Er taumelte, einen Arm gegen die Wand gestützt, aber er blieb nicht stehen, denn er wußte, daß das sein sicherer Tod war. Dann sah er, daß die beiden Mädchen nicht mehr da waren. Er ging schneller. Er betete darum, daß sie auf ihn gehört hatten und nicht in die entgegengesetzte Richtung davongelaufen waren, weg von dem nahenden Feuer. Wenn sie sich in dem dichter werdenden Rauch verirrten...
    Die Tür stand noch immer offen, und er stieß sie vollends auf. Sie krachte gegen ein dahinter gestelltes Nachtschränkchen. Childes Schatten ragte dunkel vor dem gelbroten Hintergrund der lodernden Flammen empor, und Sandy und Rachel starrten ihm mit panischen Augen entgegen. Sie hatten sich auf einem der Betten zusammengekauert.
    »Kommt«, sagte er, und sie erschauderten unter der Leblosigkeit seiner Stimme. »Ich bringe euch hinaus.«
    Sie eilten zu ihm, und er hob sie hoch. Diesmal waren sie schwer, aber sie würden es schaffen. Er würde diese beiden hinausbringen, koste es, was es wolle. Childes trat rückwärts aus dem Raum, und dann begann der lange Weg durch das Inferno - den scheinbar endlosen Korridor entlang, weg vom Zentrum der Flammenhölle; rings um sie her brodelte es: Wände, Decke, Parkettboden, alles war in dichten Qualm gehüllt. Erste Flammen züngelten überall. Die letzte große Explosion in ein einziges gigantisches Feuerchaos stand unmittelbar bevor. Er konnte sich kaum mehr aufrecht halten. Und dann war da eine ständig anwachsende Taubheit in seinem Kopf, und ein Würgen in seinem Hals. Flammen brachen dicht an der Wand aus dem Boden hervor und zwangen ihn, sich der gegenüberliegenden Wand zuzuwenden. Seitlich gehend schob er sich an dem neuen Feuerherd vorbei. Die Mädchen verhielten sich mucksmäuschenstill. Ihre Arme waren fest um seinen Hals geschlungen, und sie rührten sich nicht; sie hatten schreckliche Angst, aber sie vertrauten ihm. Vielleicht hatten sie ihr schlimmstes Entsetzen aber auch schon im Schrank aus sich herausgeweint.
    Für eine Weile waren sie in düsterem Halbdunkel unterwegs, und der Rauch verschluckte selbst die zuckende Helligkeit der Flammen hinter ihnen. Doch bald darauf kam vor ihnen ein anderer milder Schimmer in Sicht: ein unheimliches Leuchtfeuer, bedrohlich und mörderisch. Childes hatte gehofft, daß die Feuertreppe weit genug entfernt war; er hatte gehofft, daß die Flammen nicht so schnell bis hierher vordringen konnten...
    Blindlings tastete er sich weiter, jetzt mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt. Ein lächerliches Vorwärtsschieben, eine Flucht im Schneckentempo. Aber schließlich erreichten sie die Empore über der Treppe. Childes brach in die Knie. Diesmal raubte ihm der Hustenanfall beinahe das Bewußtsein. Er kauerte sich zusammen, und Sandy und Rachel warteten an seiner Seite darauf, daß es ihm besserging. Auch sie mußten husten und würgen.
    Er nahm sich nicht die Zeit, sich zu erholen. Atemlos und mit tränenden Augen zerrte er sich am Metallgeländer der Treppe hoch und schaute in die Tiefe. Das Treppenhaus war ein gigantischer Kamin, in dem dichte Rauchschwaden von unten heraufwirbelten und wie trübes Wasser in den Korridor

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