Moonlit Nights
tun sollte. Völlig verdattert blieb ich vor ihm sitzen, eine
Hand an seiner glühenden Wange. Liam richtete sich auf,
schubste mich von sich und lief noch tiefer in den Wald. Das hieß,
er versuchte zu laufen. Es sah aber mehr so aus, als hätte er
ordentlich einen im Tee, so torkelte er hin und her. Eine
Wolkenwand verdeckte den Vollmond, sodass ich nichts mehr
sehen konnte. Es war jetzt stockduster. Ich traute mich nicht mich
zu bewegen. Dann hörte ich das Jaulen eines Wolfes und bekam
Angst. Was, wenn es das Untier war, dass Tyler getötet hatte?
Langsam kroch ich in die Richtung, in die Liam gelaufen war.
Das vermutete ich jedenfalls. Die Wolkenwand zog weiter und
der Vollmond erhellte wieder die Lichtung. Ich blickte auf. Ein
riesiger Wolf trat aus dem Unterholz hervor und sah mich
knurrend an. Was zur Hölle war das?! Bei genauerer Betrachtung
hatte es zwar Ähnlichkeit mit einem, aber so sah doch kein
normaler Wolf aus, oder? Dieses Ding hatte zwar den Kopf eines
Wolfes, aber einen relativ menschlichen Oberkörper. Muskulös,
wie der eines Bodybuilders – wenn auch komplett behaart wie ein
Tier. An den muskelbepackten Oberarmen waren keine Hände,
sondern Pfoten … oder sollte ich lieber Klauen sagen? Plötzlich
sprang es auf allen Vieren in meine Richtung und blieb ein paar
Meter vor mir stehen, bevor es sich leicht aufrichtete und gebückt
auf mich zuging. Das Wolfsding hatte die gleiche Fellfarbe, wie
Liams Haare. Oh Mann … ich musste eingeschlafen sein.
Das hier konnte einfach nicht real sein. Hoffentlich würde ich
gleich aufwachen und alles wäre so wie vorher. Ich läge immer
noch zusammen mit Liam im Bett und würde mir darüber
Gedanken machen, wie ich ihn küssen sollte, ohne dass er mir
wieder entwischte. Doch nichts passierte. Auch nachdem ich mich
mehrmals in den Arm gezwickt hatte, blieb die Situation die
gleiche. Das Wolfsding hatte sich nun bis auf einen Meter
genähert, fletschte seine blitzweißen Reißzähne und knurrte mich
unverhohlen an. Ich zitterte am ganzen Körper, doch gleichzeitig
war ich starr vor Angst. »Liam?«, sprach ich das Ding vorsichtig
an. Ich kam mir mehr als blöd vor. Was tat ich hier eigentlich?
Das konnte doch nicht wirklich Liam sein! Ich sah, wie das
Wolfsding seine Ohren spitzte, als ich Liams Namen sagte. Einen
Moment lang sah es so aus, als würde es überlegen, doch dann
knurrte es mich weiter an. Es hielt seine Schnauze in die Luft und
schnupperte, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen. Dann ging
alles ganz schnell. Blitzartig ließ der Wolf sich wieder auf alle
vier Pfoten fallen, sprang mit einem gezielten Satz auf mich zu
und warf mich zu Boden. Ich schloss die Augen. Es war schon
schlimm genug, was ich gleich erleben würde. Ich wollte das
nicht auch noch mit ansehen müssen. Heiß und stinkend spürte ich
den warmen Atem des Tieres in meinem Gesicht. Ob es Tyler
auch so ergangen war? Ob das das gleiche Biest war, das Tyler
getötet hatte? Ich hielt mir die Hände vor das Gesicht und wartete,
da hörte ich einen Schuss und gleich darauf ein herzzerreißendes
Jaulen. Ich riss die Augen auf und sah, wie das Wolfsdings zurück
in den Wald hinkte. Blut tropfte von seiner Schulter. Verwirrt sah
ich mich um. Officer Dewey kam aus dem Gebüsch gehumpelt
und packte mich am Arm. Mit einem Ruck zerrte er mich wieder
auf die Füße. Jetzt kapierte ich gar nichts mehr. »Officer Dewey
…« Doch David ließ mich nicht ausreden. »Wir müssen hier
weg.«
»Wir können Liam doch nicht mit diesem Ding allein lassen!«,
protestierte ich lautstark, doch David schaute mich nur spöttisch
an. »Das Ding ist Liam und die Schussverletzung wird ihn sicher
nicht lange aufhalten.«
»Liam?«, fragte ich zerstreut und wollte dem Wolf
hinterhergehen.
»Liam ist verletzt«, brabbelte ich vor mich hin. Ich war nicht
fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. »Ihm passiert nichts!«
Officer Dewey riss mich am Arm mit sich und rannte hinkend aus
dem Wald heraus. Gedankenverloren ließ ich mich von ihm
ziehen. Diese Information musste ich erst mal verarbeiten. Vor
dem Wald parkte der Polizei-Jeep. Officer Dewey riss die
Beifahrertür auf und schob mich hinein. Dann rannte er um den
Jeep herum, soweit es sein Bein zuließ, sprang auf den Fahrersitz
und fuhr los.
Ich schaute aus dem Fenster zurück in den Wald. Ich konnte gar
nicht glauben, was soeben passiert sein sollte.
Officer Dewey hatte das Gaspedal bis zum
Weitere Kostenlose Bücher