Moonlit Nights
Ich weiß
nicht genau, wie es funktioniert – du musst wissen, Werwölfe sind
äußerst übellaunige Versuchskaninchen.« Er zwinkerte mich
lässig an. »Doch wenn der Werwolf, der einen gebissen und somit
selbst zu einem von seiner Art gemacht hat, stirbt, verwandelt
man sich selbst auch nicht mehr. Man ist quasibefreit von dem
Fluch.«
Verwirrt schaute ich ihn an. »Ich dachte, man kann einen
Werwolf nicht umbringen?«
»Ich wüsste zumindest nicht womit. Ich habe mal gehört, dass
man sie bei lebendigem Leib verbrennen muss. Aber es gestaltet
sich als äußerst schwierig, einem wütenden Werwolf eine Fackel
in den Arsch zu schieben.« David kicherte. »Letztendlich weiß ich
nicht, woran Liams Großvater gestorben ist, doch nachdem er tot
war, war der Spuk vorüber.« Ich dachte an Davids entstelltes Bein
und bekam sofort Mitleid. David war ein hübscher Kerl, doch so,
wie er jetzt aussah, war es sicher nicht leicht für ihn, eine
Freundin zu finden. »Liams Großvater hat dir das …« Ich
schluckte und zeigte auf die alte Wunde an seinem Oberschenkel.
»Wie ich schon sagte, Emma. Nicht jede Begegnung mit einem
Werwolf läuft so glimpflich ab wie bei dir. Allerdings …« David
rieb sich sein Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, »mich
wundert es schon ein bisschen, dass Liam so lange gezögert hat.
Als sein Großvater sich verwandelt hatte, stürzte er sich sofort auf
mich. Hätte ihn damals nicht irgendwas abgelenkt, hätte er mich
sicher zerrissen oder sogar aufgefressen. Verdenken könnte ich es
ihm nicht. Ich bin bestimmt lecker.« David grinste mich über
beide Backen an. Ich bewunderte ihn dafür, wie er so locker über
seinen eigenen Tod sprechen konnte. Doch noch mehr bewunderte
ich, dass er mir trotz seiner ganzen Erlebnisse zu Hilfe geeilt war.
Ich dachte an Liams beängstigende, gelbgrüne Augen. Wie sie vor
Zorn und Gier funkelten. Ich wüsste nicht, ob ich den Mut gehabt
hätte, mich einem solchen Raubtier ein zweites Mal
entgegenzustellen. Zumal David klar gewesen zu sein schien, dass
er im Ernstfall rein gar nichts gegen ihn hätte ausrichten können.
»Und was ist mit Liams Schussverletzung?« Ich hatte das Bild vor
Augen, wie Liam mit blutender Schulter ins Unterholz
verschwand und sofort wurde mir übel vor lauter Sorge. »Du
brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen. Das ist ja das
Coole am Werwolfsein.« David lächelte verschmitzt. »Liam wird
jetzt ‘ne viertel Stunde rumjammern und danach ist die
Verletzung verheilt, als wäre nie etwas gewesen.« Ich hatte gar
nicht mitbekommen, dass David losgefahren war und bereits auf
unseren Hof rollte.
»Hier hast du meine Karte. Wenn du irgendwelche Fragen hast,
ruf ’ mich an. Ich brauch’ dir wohl nicht zu sagen, dass du deine
Entdeckung besser für dich behältst.« David drückte auf einen
Knopf an den Armaturen. Ein Klicken entriegelte die Tür. Ich zog
an dem Griff und die Tür sprang auf. Gedankenverloren rutschte
ich vom Sitz herunter, da packte David erneut auf meine Schulter.
»Emma?« Neugierig drehte ich den Kopf herum. »Tu mir bitte
den Gefallen und geh’ nicht mehr in den Wald. Du wirst sehen,
Montagmorgen sitzt Liam wieder unversehrt in der Schule neben
dir.« Ich nickte und ging zum Haus. Ich hatte den Kopf so voller
Gedanken, dass ich völlig vergaß, mich bei David zu bedanken
oder gar zu verabschieden. Ich trottete zur Haustür herein und
ging sofort in mein Zimmer. Meine Eltern schienen nicht mehr
wach zu sein. Merkwürdig, doch wenn sie etwas mitbekommen
hätten, würden sie beide neugierig hinter der Haustür warten wie
ein Hund, der sich auf das Wiederkommen seines Herrchens freut.
Andererseits war es gut, dass sie nicht da waren, um irgendwelche
dumme Fragen zu stellen. Was hätte ich sagen sollen? Hi Mom, hi
Dad. Ich komme gerade aus dem Wald und habe herausgefunden,
dass Liam ein gefährlicher Werwolf ist? Ach, und nur zur
Beruhigung. Officer Dewey hat ihn angeschossen, aber das geht
in Ordnung, er war auch mal einer? Ich schüttelte mich bei der
Vorstellung an dieses absurde Gespräch. Hoffentlich würde der
heutige Abend nie als Thema auf den Tisch kommen. Ich schloss
die Zimmertür hinter mir und wollte mich gerade aufs Bett legen,
als mein Blick auf den Computer fiel. Kurzerhand schaltete ich
ihn ein. Meine Güte … Die Kiste brauchte ewig, bis sie
hochgefahren war. Ungeduldig klickte ich bereits auf der Mouse
herum, bevor überhaupt ein
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