Moonlit Nights
Manchmal kommt es in unseren
Träumen wieder, aber das passiert nur selten.«
»In deinen Träumen?« Liam nickte. »Und was träumst du dann?«
Liams Gesichtsausdruck wurde plötzlich wieder ernst. »Emma«,
sagte er sanft, »das sind keine schönen Träume. Das erzähl’ ich
dir mal, wenn du älter bist.« Dann zwinkerte er. Ich war froh, dass
die bedrückte Stimmung von vorhin verschwunden war.
»Und David hat dir erzählt, was passiert ist?«, fragte ich
neugierig. Liam nickte. »Wo hast du ihn denn getroffen?« War er
etwa irgendwo gewesen? Nur nicht in der Schule? Mein Puls
wurde vor Verärgerung schlagartig schneller. »Er hat mich
besucht. Er wollte wissen, wie es meiner Schulter geht.« Und
verlangsamte sich wieder. »So eine hinterlistige Ratte … Dann
war er sich also doch nicht hundertprozentig sicher, dass dir nichts
passieren kann …«, grummelte ich mürrisch vor mich hin und
Liam grinste. »Eigentlich schon, doch irgendjemand muss ihm ein
furchtbar schlechtes Gewissen gemacht haben.« Schelmisch
schielte er zu mir herüber.
»Wie kommt‘ s, dass David euch nicht verrät?«, wollte ich
wissen. »David war ein Werwolf. Er ist für immer an den
Werwolf-Kodex gebunden, der besagt, dass wir unsere Identität
geheim halten müssen und unsere Artgenossen unter keinen
Umständen verraten dürfen.« Ich nickte geflissentlich. Sehr
sozial, diese Werwölfe. »Wer das Gesetz bricht, wird
umgebracht«, fügte Liam noch hinzu. Ich schluckte. Sozial, aber
auch sehr hart.
»Und das Einzige, mit dem man euch umbringen kann, sind
Silberkugeln?« Liam zog eine Augenbraue kritisch nach oben.
»Muss ich mich jetzt in acht nehmen?«
»Natürlich nicht!«, entfuhr es mir. Wie konnte er nur so etwas
denken? Doch Liam grinste lässig. Er hatte mich veräppelt.
»Nein, ich muss dich enttäuschen. Silberkugeln machen uns
genauso wenig aus, wie die Mondfinsternis. Und einen
Lieblingsknochen hab’ ich auch nicht. Alles Mythos.« Liam
lachte in sich hinein, als würde er die Internetseite kennen, auf der
ich mich schlaugemacht hatte. »Keine Silberkugeln also.«
»Keine Silberkugeln«, bestätigte er. »Silber tut zwar scheißweh
und du kannst von Glück sagen, dass David das wusste. Eine
normale Kugel hätte nicht die gleiche Wirkung gehabt...« Ich
schauderte, als mir noch einmal bewusste wurde, wie knapp ich
dem Tod von der Schippe gesprungen war. »Aber im Endeffekt
braucht es schon mehr als ein bisschen Silber, um einen Werwolf
umzubringen. Das wurde nur erfunden, damit ihr kleinen
Menschlein euch nicht so hilflos vorkommt.« Liam grinste
überheblich. »Ihr seid also unsterblich?«, fragte ich verblüfft und
überging seinen arroganten Blick. »Nein, das nicht. Gegen das
Alter sind selbst wir machtlos, auch wenn wir langsamer altern als
normale Menschen.«
»Man kann einen Werwolf also nicht umbringen?« Wieder zog
Liam eine Augenbraue nach oben. »Sollte ich mir darüber
Gedanken machen, warum du dich genau für diesen Teil meines
Daseins so interessierst?« Die Schamesröte lief mir ins Gesicht,
als ich mir überlegte, wie meine Fragerei sich für Liam anhören
musste. Ich schüttelte verlegen den Kopf. »Es ist nur alles so…
unglaublich …«, versuchte ich mich zu rechtfertigen. Liam
lächelte. »Sagen wir so: Ein Mensch kann uns nicht so einfach
umbringen. Ihr müsstet es schon schaffen, uns beim lebendigen
Leibe zu verbrennen, aber das ist ziemlich unmöglich.«
»Wenn du sagst ein Mensch … heißt das etwa, dass es andere
Wesen gibt, die das könnten?!« Gespannt hing ich an seinen
Lippen. Das hier war spannender, als der gruseligste Horrorfilm,
den ich jemals gesehen hatte – okay, ich hatte zwar noch nicht
viele gesehen, aber es konnte unmöglich etwas Interessanteres
geben. »Andere Werwölfe zum Beispiel. Da bliebe auch noch die
Möglichkeit des gegenseitigen Totbeißens ... «, antwortete Liam
auf meine Frage gelassen und ich schluckte laut. Darüber hatte ich
mir noch gar keine Gedanken gemacht, aber das hieße ja mit
anderen Worten, dass es noch mehr davon gab. Ich beschloss, das
Thema erst einmal auf sich beruhen zu lassen, bevor Liam am
Ende wirklich noch dachte, ich hätte ein Attentat auf ihn geplant.
Außerdem hatte er jetzt etwas angeschnitten, was meine
Aufmerksamkeit ebenfalls erregte. »Es gibt also noch mehr
Werwölfe?«
»Ja.« Oh! Wie ich diese einsilbigen Antworten hasste! »Wer?«,
platzte es aus mir heraus. Liam lehnte sich
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