Moonlit Nights
nicht mehr sicher war, ob Liam und ich gutes Paar abgeben
würden, jetzt sah ich es umso klarer. Liam war perfekt. Der
Einzige, oder vielmehr DIE Einzige, die hier, wenn überhaupt,
nicht gut genug für jemanden war, war ich. Sonst niemand.
Ich richtete mich auf und setzte mich von Angesicht zu Angesicht
vor ihn hin. Meine Hände umfassten sein bekümmertes Gesicht.
»Liam«, sprach ich ihn an und er schaute traurig zu mir auf.
»Habe ich das nicht zu entscheiden, wen ich mir als Freund
aussuche?« Liam zuckte mit den Schultern, was wohl so viel hieß,
wie »eigentlich schon«. Jedenfalls interpretierte ich das so. »Und
ich habe dich ausgesucht.«
»Da dachtest du auch noch, ich sei ein normaler Mann.« Normal?
Pfff! Ich hatte Liam noch nie als normal empfunden. Eher als
fleischgewordene Gottheit! Liam senkte den Blick und starrte auf
seine Hände. »Liam«, sagte ich erneut und redete nicht weiter,
bevor er nicht wieder zu mir aufsah. »Du bist mir wichtig. Als ich
dich das erste Mal sah, war mir klar, dass ich mein Leben mit dir
verbringen möchte.« Ich merkte, wie ich bei diesem Geständnis
errötete, doch es war die reine Wahrheit. Liam war so
vollkommen. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen,
irgendwann einen anderen zu lieben. »Das war ja auch, bevor ich
dich fressen wollte«, entgegnete er trübselig, doch ich hatte das
Gefühl, dass sich seine Laune leicht gebessert hatte. Ich bekam
allerdings eine leichte Gänsehaut, als er den Vorfall von letzter
Woche so betitelte. »Du hast mich aber nicht gefressen«, beharrte
ich. »Wenn David nicht gewesen wäre …«
»David, David, David …«, unterbrach ich ihn ärgerlich. »Wer
braucht schon so einen dusseligen David?«
»Er hat dir das Leben gerettet!« Liams Stimme quoll über vor
Entrüstung. »Ich glaube nicht, dass du mir etwas getan hättest …«
Ich umarmte ihn und legte meinen Kopf auf seine Schulter. »Ach
Emma …«, seufzte Liam und streichelte liebevoll über mein Haar.
»Außerdem meinte David, dass du erstaunlich lange gezögert
hast, bevor du überhaupt … naja…« Ich wollte den Satz nicht zu
Ende sprechen, um Liam nicht unnötig zu quälen, doch plötzlich
hatte ich Liams Interesse geweckt. »Ach, echt?«, sagte er und
richtete sich auf. Was, ach echt? Ich wusste nicht genau, was er
meinte, also kam meine Antwort nur langsam. »Ja, ähm, echt.«
»Ich hab’ gezögert?«, fragte er noch einmal nach. Ach darauf
wollte er hinaus. »Ja, hast du«, kam es wie aus der Pistole
geschossen.
Liam setzte ein weltmännisches Grinsen auf. »Du bist mir halt
wichtig!« Und sein Grinsen wurde noch breiter. »Darf man
fragen, was daran so besonders ist?«
»Ich seh‘ schon, ich bin der erste Werwolf, den du kennenlernst «,
lachte Liam und drückte mich wieder an sich. Hieß das jetzt, dass
wir doch noch zusammen waren und Liam sich nicht mehr von
mir trennen wollte? Verdutzt schaute ich ihn an. »Weißt du
Emma, wenn wir uns verwandelt haben, verlieren wir jegliche
Kontrolle über unseren Geist. Wir können uns morgens nicht an
die kleinste Kleinigkeit erinnern, die wir am Abend zuvor
gemacht haben. Angeblich soll man die Kontrolle über den Geist
lernen können, aber bis jetzt war ich wenig erfolgreich, und wenn
ich ehrlich bin, habe ich mich mit diesem Thema auch noch nicht
wirklich auseinandergesetzt. Bis jetzt war mir das ziemlich egal.
Ich hab’ mich meinen tierischen Trieben einfach ergeben.« Mit
großen Augen schaute ich ihn an. »An rein gar nichts?«, fragte ich
fassungslos. »An rein gar nichts«, antwortete Liam. »An rein gar
nichts«, wiederholte ich nochmal für mich selbst. »Emma, glaubst
du etwa im Ernst, wenn ich auch nur auf einen Funken meines
Verstandes zugreifen könnte, hätte ich dich angegriffen?!« Liam
klang empört und ich schüttelte schnell den Kopf. Nicht, dass er
sich noch in Rage redete, jetzt, wo sich seine Laune endlich
gebessert hatte. Das war ja unglaublich, doch was war an der
ganzen Werwolfgeschichte schließlich nicht unglaublich. Von
daher sollte mich eigentlich nichts mehr wundern. Trotzdem war
es schlecht vorstellbar, dass ein Mensch, oder immerhin
Halbmensch, eine ganze Nacht Dinge tat und sich danach an
nichts mehr erinnern konnte. Das ähnelte irgendwie den Storys,
die man schon mal von Betrunkenen hörte. Wie nannten die das
nochmal? Filmriss?! »An rein gar nichts«, sagte ich noch einmal.
»Naja, nicht direkt zumindest.
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