Moonlit Nights
seine
Überreste gefressen worden. Sie hatte die Hoffnung, dass er
infiziert wäre und ebenfalls zum Werwolf werden würde, doch
seine Verletzungen waren zu schwerwiegend. Tyler war schon tot,
bevor sich die Infektion in seinem Körper ausbreiten konnte.« Ich
starrte vor mich hin. Unfähig, noch irgendetwas zu sagen. Also
bestand Liams ganze Familie aus Werwölfen …
Der arme Tyler. Was er wohl empfunden hatte, als ein riesiger
Werwolf sich auf ihn stürzte? Ob der Werwolf, der Tyler getötet
hatte, auch so stechende Augen besaß wie Liam? Erneut überkam
mich ein Schauer, als ich daran dachte, wie knapp ich selbst
offensichtlich dem Tod entkommen war.
»Hast du keine Fragen mehr?«, riss Liam mich aus meinen
Gedanken. Ich und Fragen? Nur ein paar Tausend, aber ansonsten
… Ich merkte, dass mein Blick stumpf und leer war, während ich
immer noch vor mich hinstarrte, ohne mich zu rühren. Selbst als
Liam den Arm um mich legte, zeigte ich keine Reaktion. Ich war
in Gedanken versunken. Tyler tat mir unendlich leid. Und Faith
erst. Faith, die auf tragische Weise ihre Liebe verloren hatte. Ich
wusste, ich könnte es nicht ertragen, wenn ich Liam verlieren
würde.
Sanft streichelte Liam meinen Unterarm. »Denk’ nicht weiter
drüber nach, Emma. Das mit Tyler war eine furchtbare Sache,
aber zur Beruhigung kann ich dir versichern, war es der einzige
Todesfall, in den unsere Familie irgendwie verwickelt war.« Ich
schaute zu Liam auf, der mich zärtlich anlächelte. »Who‘s afraid
of the big bad wolf?«, versuchte er zu witzeln, doch sein Versuch
prallte kläglich an meiner ernsten Stimmung ab. Liam zog mich
an sich und streichelte mir über die Haare. »Vielleicht möchtest
du dir das mit mir doch noch mal überlegen«, nuschelte er in mein
Haar, während er mich fest an sich gedrückt hielt. Ich merkte,
dass Liams Stimmung ebenfalls zu sinken begann. Oh nein! Bloß
nicht wieder Zweifel aufkommen lassen. Nicht, dass er gleich
wieder in Selbstmitleid zerfloss und wieder Schluss machen
wollte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte die traurigen
Gedanken an Faith und Tyler zu verdrängen. Da ich eh nie viel
mit Tyler zu tun gehabt hatte und Faith ebenso wenig kannte,
gelang mir das halbwegs. »Nein, nein, da gibt es nichts mehr zu
überlegen. Ich wollte schon immer ein Hündchen haben«, grinste
ich Liam frech an. »Ein Hündchen!?«, schnaubte Liam
verächtlich. Meine kleine Stichelei brachte den gewünschten
Effekt. Liams nachdenklicher Gesichtsausdruck war verflogen
und wechselte zu einem … nun ja, wie soll ich sagen? Jetzt sah er
irgendwie so aus, als wolle er mich gleich übers Knie legen. Oder
als wolle er mir zumindest mal zeigen, was ein »Hündchen« so
alles drauf hat. Scherzhaft knurrte er mich an und ich lachte. »Na
ja, besonders gefährlich schein’ ich auf dich ja nicht zu wirken,
wenn du mich sogar auslachst, wenn ich dich anknurre!«, frotzelte
er, doch ich musste davon nur noch mehr lachen. »Ist ja auch
nicht für immer«, kicherte ich, doch Liams Gesicht wurde
schlagartig wieder ernst. »Bitte was?«, fragte er irritiert. Ich war
verwundert über diesen urplötzlichen Stimmungswechsel. Konnte
er mich bei so etwas nicht vorwarnen? Litten alle Werwölfe unter
solchen Stimmungsschwankungen? »Na ja …«, begann ich und
fummelte verlegen an meinem Blusenärmel. »David hat mir
erzählt, dass sich die Sache von selbst erledigt, wenn der
Werwolf, der dich gebissen hat, irgendwann stirbt.« Zu gern hätte
ich gefragt, wie es dazu gekommen war, aber ich traute mich
nicht. Das war mit Sicherheit eine furchtbare Erinnerung, die ich
Liam momentan nicht unbedingt aussetzen wollte. Vielleicht
würde er mir das irgendwann einmal von selbst erzählen. So lange
würde ich eben warten … Liam schaute mich unsicher an, was
mich noch viel nervöser werden ließ. »Bei David war‘ s doch so,
oder? Du müsstest nur deinen Beißer töten und …« Liam nickte
langsam, doch sein Blick war betrübt. »Ach Emma … du hast ja
keine Ahnung. Wenn das so einfach wäre.« Ob Liam Angst hatte?
Na gut, ich würde selbst nicht ohne Weiteres mit einem Wolf
kämpfen wollen, aber es wäre die Lösung seines Problems. Und
zur Not brauchte er einfach nur zu warten, bis der Werwolf, der
ihn gebissen hatte, auf natürlichem Wege starb. Ich persönlich
hatte mich bereits damit abgefunden, dass Liam ein Werwolf war
– im Gegensatz zu ihm. Mir machte es nichts aus.
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