Moonlit Nights
nicht. Wahrscheinlich ärgerte er sich gerade, dass er sich
neben so eine dumme Nuss wie mich gesetzt hatte, wo er doch
neben Amilia hätte sitzen können.
Endlich erlöste mich das Klingeln der Schulglocke. Schnell
stopfte ich Bücher und Hefte in meine Tasche und ging eiligen
Schrittes zur Tür.
»Hey … warte doch mal!«, rief Liam. Zuerst wollte ich mich
umdrehen, doch er konnte unmöglich mich meinen. Warum auch?
Wir hatten die ganzen Schulstunden nebeneinandergesessen und
keinen Muff miteinander geredet. Plötzlich griff mir eine starke
Hand auf die Schulter und drückte leicht zu.
»Hey … dich meine ich!« Sein Daumen berührte dabei sanft
meinen Hals und ein kleiner Schauer ließ mich erzittern. Abrupt
drehte ich mich um und blickte in ein wunderschönes Gesicht –
Liams Gesicht.
»Sollen wir nicht zusammen gehen?« Ich nickte, unfähig
irgendetwas zu sagen. Wieder durchfuhr mich ein leichter
Schauer. Diesmal aber aus Freude. Liam wollte mit mir
zusammen nach Hause gehen …
»Heute trete ich ja meinen Dienst bei euch an …« Diese Aussage
traf mich wie ein kalter Waschlappen ins Gesicht. Das hatte ich ja
völlig vergessen. Liam hatte einen Aushilfsjob bei meinem Dad
angenommen.
Natürlich
war er jetzt besonders freundlich zu mir
– mein Dad war sein Chef!
Und
natürlich
wollte er mit mir zusammen heimgehen – er musste
schließlich arbeiten! Geknickt über meine Selbsterkenntnis stapfte
ich zu unserem Haus voran.
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Blamiert
Mein Vater begrüßte uns schon von Weitem. »Du bist aber
früh dran Liam«, strahlte mein Dad ihn an. »Sehr lobenswert.«
Liam grüßte zurück und zwinkerte mir zu. Bei seinem frechen
Grinsen, in Kombination mit diesem kecken Zwinkern, wurde mir
ganz heiß, und obwohl Liam von meinem Vater eingestellt
worden war, damit ich mehr Freizeit hatte, würde ich vermutlich
genauso viel Zeit im Laden verbringen wie vorher. Wenn nicht
sogar mehr …
Jedenfalls wollte ich versuchen, wann immer es möglich war, in
Liams Nähe zu sein. Er war so ganz anders als die Jungen, die ich
bis dahin gekannt hatte. Nicht, dass irgendein Junge aus der
Schule jemals meine Aufmerksamkeit wirklich erregt hätte, doch
ich sah, wie sie sich untereinander verhielten. Ständig knufften
und verspotteten sie sich oder warfen sich Beleidigungen an den
Kopf und lachten sich gegenseitig aus, wenn jemandem etwas
Unangenehmes passierte. Wenn das für sie Freundschaft
bedeutete, wollte ich lieber kein Freund von ihnen sein. Da blieb
ich lieber unbemerkt im Hintergrund. Liam ging bereits in den
Laden, während ich die Treppe hinaufschoss und mein Schulzeug
in die Ecke pfefferte. Schnell warf ich einen prüfenden Blick in
den Spiegel, bevor ich mindestens genauso schnell wieder
herunterlief. Merkwürdig. Früher hatte mich mein Spiegelbild nie
interessiert. Vermutlich gehörte das zu den Dingen, die sich im
Alter änderten. Meine Mutter prophezeite mir täglich mehrere
davon. Diese Gespräche waren mindestens genauso schrecklich
wie ihre Aufklärungsversuche. Sie begann dann immer mit
Worten wie: »Emma, wenn aus einem Kind eine Frau wird …«
So, wie dieser Satz über ihre Lippen kam, verdrückte sich mein
Vater vor den Fernseher oder versteckte sein Gesicht hinter einer
Zeitung und ich konnte sehen, wie ich diese Peinlichkeit ertrug.
Schließlich folgte nach dieser Einleitung immer ein Thema, über
das man mit seinen Eltern eher weniger gern redete, wie
beispielsweise die erste Periode, Geschlechtsverkehr oder die
damit möglicherweise einhergehenden Geschlechtskrankheiten.
Bis jetzt hatte ich weder etwas mit Geschlechtsverkehr noch mit
den dazugehörigen Krankheiten zu schaffen gehabt. Trotzdem
meinte meine Mutter wohl, es könne nicht schaden, mich
ausführlich und vor allem laut darüber zu informieren. Egal, ob
wir gerade beim Einkaufen waren und die Verkäuferinnen schon
fragend zu uns herüberschauten oder ob wir auswärts aßen und
mein Dad mit einer knallroten Birne am Tisch saß, die jeder
Ampel Konkurrenz machen könnte.
Ich stand auf der letzten Treppenstufe und atmete noch einmal tief
durch. Liam sollte bloß nicht denken, ich hätte mich wegen ihm
so beeilt.
»Hast du’s eilig?«, fragte Dad, während er aus dem Verkaufsraum
kam, der direkt in unseren Flur mündete.
»Äh ... nein, wieso?«
»Du siehst so … gehetzt aus?« Dad war wirklich nicht der
Feinfühligste, aber irgendwie hatte er immer ein Gespür dafür,
mich
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