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Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Moonshine - Stadt der Dunkelheit

Titel: Moonshine - Stadt der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alaya Johnson
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dass er mit einer Kinderjacke zugedeckt war, die nach nasser Wolle roch. Zitternd – denn ich werde mich bei Gott niemals an so etwas gewöhnen, egal wie lange ich schon in dieser Stadt lebe – zog ich die Jacke zur Seite. Ich erblickte einen kleinen Jungen, dessen Haar röter war als meine eigenen rötlich braunen Haare. Seine Haut war unter den unzähligen Sommersprossen so bleich, dass ich wusste, was geschehen war, noch ehe ich die verräterischen Spuren an seinem Hals entdeckte.
    Ich hockte mich auf die Fersen und biss die Zähne zusammen. Am Hals des Jungen zählte ich nicht weniger als sieben Wunden: oberflächlich und ungleichmäßig, als hätten sie mit ihm gespielt. Sicherlich hätte ich, wenn ich das Kragenhemd und die Anzugjacke – aus feinem Stoff hergestellt, aber abgetragen – geöffnet hätte, noch mehr Wunden auf seinem Rücken und an den Armen gefunden. Es sah fast aus wie eine Folterung, gepaart mit Rache. Es sah aus wie eine Tat der
Turn Boys
. Ein Grund mehr für mich, sie zu verachten. Die Bande von jugendlichen Vampiren herrschte rücksichtslos über ihr selbstgewähltes Königreich, das sich von Little Italy bis zur Lower East Side erstreckte. Der Fundort dieses armen Kindes war für ihren Wirkungskreis eigentlich schon etwas zu weit die Lafayette Street hinab, aber ich zweifelte keinen Augenblick daran, wer dem Jungen das angetan hatte. Ich hatte genügend ihrer Opfer gesehen, um sicher sein zu können.
    Ein vereinzeltes Auto raste hinter mir die Straße entlang und spritzte eisigen Schneematsch über mein Fahrrad und auf meinen blauen Tweedrock. Wieder sah ich auf meine Uhr: zehn vor acht.
Verdammt!
Mir würde gerade noch genug Zeit bleiben, um zur Polizeistation zu fahren, den Fund zu melden und zur Schule zu hetzen. Doch ich wusste, was die Polizei mit dem Jungen tun würde, wenn sie ihn in die Finger bekam. Man ging kein Risiko ein, vor allem nicht, wenn es sich um irgendein namenloses Immigrantenkind handelte. Zu viele Kinder wurden vermisst, um wertvolle Zeit damit zu vergeuden, in einem der unzähligen Mietshäuser in Lower Manhattan nach einer verzweifelten Mutter zu suchen, die vermutlich nicht einmal Englisch sprach. Also nahmen sie die Kinder mit in die Leichenhalle, schalteten das elektrische Licht an und pfählten sie. Manchmal trennten sie ihnen, um auf Nummer sicher zu gehen, auch noch den Kopf ab, wenn es wahrscheinlich war, dass das Kind sich wandeln würde.
    Dieser Junge würde seinen Kopf auf jeden Fall verlieren.
    Er erinnerte mich ein bisschen an meinen kleinen Bruder Harry, der noch immer in Montana lebte. Dieselben Sommersprossen, derselbe rote Haarschopf. Der Junge trug einen einzelnen blauen Fäustling, den anderen musste er im Kampf verloren haben.
    »Zephyr«, sagte ich streng und versuchte, meinem vor Schreck gelähmten Hirn etwas Vernunft einzubleuen, »Harry lacht noch immer darüber, dass er dir mal ein Stückchen Bienenwabe in den Schlüpfer gelegt hat. Das hier ist
nicht
er.«
    Obwohl ich so überaus überzeugend und mitreißend an meine Vernunft appelliert hatte, erwischte ich mich im nächsten Moment dabei, wie ich den jämmerlich leichten Körper vom Boden aufhob und zu meinem Fahrrad trug.
    Ich wusste nicht genau, was ich da eigentlich tat. Ich schwöre, dass das meistens so ist – ich lasse mich eigentlich immer von meinen Instinkten und meinem gesunden Selbsterhaltungstrieb leiten. Kurz entschlossen legte ich mir den Jungen über die Schulter, richtete mit aller Kraft den Lenker aus und bog wieder auf die Straße. Ich konnte ihn erst einmal im Schulgebäude unterbringen. Dort sollte er sicher sein.
    Ich schnaufte und trat fester in die Pedale. Vor Anstrengung begann ich zu schwitzen. Der Junge war nicht schwer, aber ich war nie besonders stark gewesen. Außerdem kam ich geradewegs von einem Zwischenfall auf der anderen Seite der Brücke in Brooklyn zurück. Eine russische Einwanderin mit Ehemann und Kindern, die vor einer Woche gewandelt worden war, hatte offenbar die Warnung vor Alkohol nicht mitbekommen. Oder vielleicht hatte sie sie auch gehört und sie zusammen mit dem Rest des himmelschreienden Unsinns der
Abstinenzbewegung
einfach ausgeblendet. Ich selbst mochte vielleicht wenig Erfahrung mit dem Dämon Alkohol haben, aber es war kein Vergleich zwischen dem, was er mit meiner kleinen Schwester angestellt hatte, als sie den Geheimvorrat meines Vaters entdeckt hatte, und dem, was er mit den
Anderen
machte, die unglücklich oder leichtsinnig

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